Caparol, Acryl und verdünnte Tusche auf Baumwolle, 300 x 300 cm
Es gibt eine lange Beziehung zwischen Markus Raetz (1941–2020) und dem Aargauer Kunsthaus. Heiny Widmer, Direktor von 1970 bis 1984, hatte bereits in den 1970er-Jahren eine Gruppe von Papierarbeiten erworben und 1981 eine grosse Einzelausstellung gezeigt. Trotz – oder vielleicht auch wegen – der Freundschaft kam es zu keinen weiteren Ankäufen. Erst in den 2000ern konnte am Aargauer Kunsthaus eine gültige Werkgruppe von Markus Raetz aufgebaut werden. Massgebend war eine grosszügige Schenkung des Künstlers sowie das umfangreiche Depositum der Sammlung von Andreas Züst; und nicht zuletzt das Engagement des Kunstvereins, der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung und des Kantons, die sich mit kapitalen Ankäufen für das Werk dieses Künstlers einsetzten. Ein Herzstück bilden die sieben „Bildtücher“. Diese sind1979 in Amsterdam entstanden, als Markus Raetz in einem Gästeatelier arbeitete und eingeladen war, in der grossen Halle des Stedelijk Museums auszustellen. Motivisch unterscheiden sich die ersten beiden Tücher, „Netzhauttänzer“ und „S-Kurve“, von den andern fünf. Sie sind zeichnerisch entwickelt auf Grund eines regelmässigen Rasters, auf dem die Köpfe der Tänzer und der Motorradfahrer liegen, während deren Körperhaltungen wechseln und so den Eindruck freier Bewegung evozieren. Einen anderen Ausgangspunkt haben die drei Porträts von Monika, der „Löu“ und „Miss September 1966“. Mit einem Episkop hat Markus Raetz im kleinen Atelier auf dem Prinseneiland Polaroid-Fotos und Bildvorlagen auf 3 x 3 m grosse Tücher vergrössert und bis zur Unkenntlichkeit aufgerastert. Raetz’ kontinuierliche Beschäftigung mit bildnerischen Möglichkeiten im Spannungsfeld zwischen sichtbaren Gegebenheiten und den Bedingungen von Wahrnehmung und Imagination findet hier einen Höhepunkt. Immer wieder bezieht sich Markus Raetz in seinem Schaffen auf Fotografie. Die Beschäftigung mit diesem Medium war Thema einer zweiten grossen Ausstellung des Künstlers im Aargauer Kunsthaus 2005. Ausgestellt waren nicht nur die Porträt-Tücher, sondern auch eine ganz neue Drehskulptur, die von einer Akt-Fotografie von Man Ray ausgeht. Die Hommage an den grossen Fotokünstler und Surrealisten gerät bei Markus Raetz wiederum zu einem vielschichtigen Spiel mit Fakten und Fiktionen: Real vorhanden sind zwei drehbare Volumen, während das zentrale Bildelement, der Frauenkörper, nur als Negativform dazwischen erscheint und auch nur virtuell die Hüften schwenkt, wenn sich die Zylinder drehen.
Stephan Kunz