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Ian Anüll, Sechs Richtige (9-teilig), 2002
Acryl auf diversen Materialien, 58 x 35 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Mara Züst
Copyright: Ian Anüll

Am Aargauer Kunsthaus kam dem künstlerischen Umgang mit der konstruktiven Tradition in den vergangenen Jahren grosse Aufmerksamkeit zu: in Einzelpräsentationen von Olivier Mosset (*1944), Adrian Schiess (*1959) oder Helmut Federle (*1944) sowie in thematischen Ausstellungen wie „Radikal auf Papier“, „Equilibre“ oder „Karo Dame“. In dieser Tradition nimmt Ian Anüll (*1948) eine besondere Position ein, die sich durch den geschärften Blick für die inhaltliche Dimension der Kunst auszeichnet.

Wie kein anderer Schweizer Künstler verbindet Ian Anüll eine formalisierte Bildsprache mit einem geschärften Blick für die inhaltliche Dimension der Kunst. Er greift auf visuelle Elemente zurück, die er der Konsumwelt oder den Massenmedien entlehnt und reflektiert durch den gezielten Einsatz und Umgang damit ästhetische Gegebenheiten.
Anülls künstlerische Arbeit setzt Ende der 1960er-Jahre ein. Auf der Basis gesellschaftlicher und künstlerischer Ideen der Zeit hat er seine kritische Grundhaltung entwickelt. Er greift bildnerische Elemente und utopisches Gedankengut der Avantgarde auf, zitiert sie aber zugleich auch als Symbole eines ästhetischen Wertesystems. „Zweckorientierte Ästhetik“ nennt er selbst seine künstlerische Strategie, welche die bildnerische Lösung nicht als Ausdruck eines Stilwollens gelten lässt, sondern als Instrument zur Vermittlung bestimmter Botschaften betrachtet.

Immer wieder thematisiert Ian Anüll auch Bedingungen des Kunstbetriebes und der künstlerischen Produktion. In „Sechs Richtige“ aus dem Jahr 2002 legt er den herkömmlichen Originalitäts- und Innovationsanspruch der Kunst offen, in dem er die wöchentliche Ziehung der Lottozahlen mit Zahlenbildern verbindet, die einer ästhetischen Tradition verpflichtet sind. In ihrer formalen Gestalt erscheinen die Zahlen neutral und objektiv, sie sind alle dem strengen digitalen Raster entsprechend stark formalisiert und erinnern durch ihre farbliche Reduktion an minimalistische oder neokonstruktivistische Bilder. Das täuscht nur scheinbar darüber hinweg, dass nicht Kalkül, sondern der Zufall herrschte und die Komposition bestimmte. Zudem prägen nicht nur die verschiedenen Zahlen die Bildgestalt, sondern auch die Bildträger, die sich von Zahl zu Zahl unterscheiden: Warum steht zum Beispiel die Eins auf Karton, die Drei auf Filz, die Acht auf Plexiglas und die Neun auf Blei? Hat auch hier der Zufall mitgewirkt? War es Intuition? Oder untersucht der Künstler hier systematisch verschiedene Werkmaterialien? Spielten ästhetische Entscheidungen eine Rolle? Oder transportiert das Werkmaterial Bedeutung? Welche Kriterien machen die Kunst zu dem, was sie ist?

Stephan Kunz, vor 2018

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