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Markus Raetz, Selbstbildnis, 1978
Acryl auf Karton, 101,5 x 75,5 x 4 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau / Schenkung der Stiftung Hugo und Mariann Suter

Das Œuvre von Markus Raetz (1941-2020) wurde nicht nur in der Schweiz mit zahlreichen Einzelausstellungen und Publikationen geehrt – auch auf internationalem Parkett hat er sich u.a. durch die Beteiligungen an Kunstmessen wie der Documenta in Kassel oder den Biennalen in Venedig und Istanbul einen Namen gemacht. Im Aargauer Kunsthaus gehört Markus Raetz seit den 1970er Jahren zur festen Grösse und ist seit der durch Heiny Widmer 1981 ausgerichteten grossen Einzelausstellung in den Präsentationen des Kunsthauses omnipräsent.

Anita Haldemann bezeichnet Markus Raetz in einem Essay als «Flaneur in der Welt der Wahrnehmung». Tatsächlich mäandert er ausgesprochen virtuos durch die verschiedenen Gattungen der Kunst – von der Zeichnung, über die Malerei, Druckgrafik bis hin zur Objektkunst – wobei sich das illusionistische Spiel mit der Wahrnehmung und der Perspektive als roten Faden herauskristallisiert. Ein beliebtes Motiv hierbei ist die Figur in all ihren Spielarten – sei dies in Bezug auf ihre Körpersilhouette oder die Physiognomie. Häufig betont Raetz dabei die Wandelbarkeit und Vielschichtigkeit eines Menschen. Bildhaft wird dies etwa in seiner filigranen Rauminstallation «Chambre de lecture» (2013–2015), die sich ebenfalls im Aargauer Kunsthaus befindet. Darin hängen rund 432 aus je einem einzigen Stück Draht geformte stilisierte Gesichtsprofile von der Decke. An feinen Fäden montiert, bewegen sie sich sachte wie ein Mobile und offenbaren je nach Einsichtswinkel unterschiedliche Gesichtsausdrücke. Keiner der Eindrücke lässt sich als einzig wahren festhalten.

Auch das eigene Ich lässt Markus Raetz immer wieder in seinen Werken aufscheinen. So entstehen Selbstporträts in verschiedenen Medien und Techniken. Mal zeigt er sich deutlich erkennbar mit charakteristischer Brille und Seitenscheitel, mal versteckt er seine Person in einem Schriftzug, der über einen Spiegel das Ambigramm „ME-WE“ ergibt, oder er lässt sein Antlitz in den Carrés des Notizpapiers und den Punkten des Siebdrucks verpixeln.
Das vorliegend „Selbstbildnis“ von 1978 gelangte als Schenkung der Stiftung von Hugo und Mariann Suter 2023 ins Aargauer Kunsthaus. Das Halbfigurenporträt zeigt Markus Raetz in weissem Hemd und mit schwarzem Sacco. Es sind denn auch die beiden Farben, auf welche sich die Palette beschränkt. Dicke, ölige Pinselstriche umreissen die Figur skizzenhaft. Wenige schwarze Tupfen definieren Augen, Nase und Mund, während weisse Flecken auf Stirn und Wangen Glanzstellen setzen. Die Darstellung wirkt flüchtig, skizzenhaft. Als Träger dient ein einfacher Karton, dessen untere Kante sogar Rissspuren aufweist. Eine schnell gezogene schwarze Linie rahmt die Figur. Das Format mag uns an eine Fotografie erinnern. Tatsächlich liesse sich vorstellen, dass als Vorlage ein fotografischer Schnappschuss des festlich gekleideten Künstlers gedient haben könnte. Das Festhalten dieses spezifischen Moments der eigenen Person wird durch die Datierung und Signatur des Künstlers sowie die feine Bildunterschrift „the artist“ unterstrichen.

Bis zur Schenkung ans Aargauer Kunsthaus befand sich das Bild im Nachlass der Aargauer Künstlers Hugo Suter (1943-2013). War es etwa ein Geschenk von Markus Raetz an seinen Berufskollegen? Oder hatte Suter das Werk käuflich erworben? Klar ist, dass Hugo Suter die flüchtige Andeutung in Raetz‘ Porträt gefallen haben muss. So teilt Suter mit Markus Raetz nämlich nicht nur die enge Beziehung zum Aargauer Kunsthaus – es ist ebenso der poetisch-verspielte Umgang mit der scheinbaren Wirklichkeit, welcher die beiden Künstler miteinander verbindet.

Julia Schallberger, 2024

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