Bronzeguss, patiniert, 20 x 14 x 7.5 cm
Im Zuge von Ugo Rondinones (*1964) grosser Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus 2010 kamen bereits zwei wichtige Arbeiten in unsere Sammlung: „Diary of Clouds“, 2008 und das „Kreisbild No. 34“ (1992). Zudem befindet sich dank dem Depositum der Sammlung Andreas Züst eine grosse Landschaftstuschezeichnung (1994) in Aarau. Mit dem Ankauf eines weiteren skulpturalen Werks wurden die bisherigen Bestände weiter ausgebaut.
2011 hat Rondinone eine Serie von neunundfünfzig Bronzevögeln („Primitive“, 2011) geschaffen. Einen Teil davon hat er erstmals in der Galerie Eva Presenhuber in Zürich ausgestellt und zehn Figuren konnte das Aargauer Kunsthaus erwerben. Die Skulpturen sind je zirka zwanzig Zentimeter hoch, wobei die Körperhaltungen und -ausformungen stark variieren. Das eine Tier dreht den Kopf, ein anderes scheint sich vorwärts zu bewegen, ein weiteres etwas aufzupicken. Die Vögel, agile, schnelle und leichte Tiere, werden in diesem Werk zu starren Wesen und dennoch sind sie voller Leben. Sie sind beseelt und jedes hat einen eigenen Ausdruck. Wir erleben eine ungewohnte Nähe zu diesen Tieren, die wir in der Natur meist aus Distanz wahrnehmen. Dies gerade wegen der sprichwörtlichen „Vogelfreiheit“. Die Bronzevögel können keinen Arten zugeordnet werden, die ornithologische Korrektheit ist für den Künstler ohne Bedeutung. Was gegenüber ‹realen› Tieren fehlt, ist die Farbe. Rondinones Skulpturen sind im dunklen, matten Grau der Bronze gehalten und gleichen in ihrer Erscheinung ihrem ursprünglichen Material, dem des Tons. Die roh belassenen Oberflächen sind voller Bewegung, denn die Spuren der arbeitenden Finger des Künstlers, der die Vogelkörper aus dem weichen Ton herausarbeitete, überziehen die Objekte.
Es bestehen Parallelen zur zweiten, grossen skulpturalen Arbeit in der Sammlung, zu „Diary of Clouds“. Bei beiden Werken geht es um die Variationen eines Themas – sei es das Motiv der Wolke oder des Vogels –, welches Rondinone in einer grösseren Serie umsetzt und dabei jedem Objekt eine eigene Form gibt. Vergleichbar ist auch die unmittelbare Prägung durch die persönlichen, haptischen Spuren des Künstlers auf den Objekten und dieses Greifbar- und Schwermachen von etwas, wie Wolken oder Vögeln, das wir mit Leichtigkeit und Flüchtigkeit verbinden. Bei „Diary of Clouds“ hat der Künstler die einzelnen Kleinplastiken in einem Holzgestell ‚archiviert‘ und die Serie nicht nur in einem festen Rahmen verortet, sondern auch abgeschlossen, während die Vögel als Werkkorpus offener angelegt sind und ganz frei und nonchalant im Raum verteilt präsentiert werden. Die Vögel sind auch individuell betitelt mit Begriffen wie ‚Earth‘, ‚Moon‘, ‚Universe‘, ‚River‘ oder ‚Fire‘. Jedes Tier ist Stellvertreter eines Naturphänomens und ist nach einer astronomischen, meteorologischen oder geologischen Erscheinung benannt. Für Rondinone repräsentieren die Tiere die Natur und das Werk widerspiegelt ein pantheistisches Weltbild, in dem das Geistige in Übereinstimmung mit der Natur ist.
Madeleine Schuppli