Öl auf Leinwand, 74 x 107 cm
Die Sammlung des Aargauer Kunsthauses ermöglicht einen guten Einblick in die Schweizer Kunst des 19. Jahrhunderts; vornehmlich die damals stark verbreitete Landschaftsmalerei kann mit einigen herausragenden Werken überzeugen. Der in Solothurn geborene Otto Frölicher (1840–1890) zählt zusammen mit Johann Adolf Stäbli (1842–1901) zu den bedeutenden Vertretern des Deutschschweizer Paysage intime. Während die Protagonisten der welschen Ausprägung wie beispielsweise Barthélemy Menn (1815–1893) heitere Landschaften bevorzugen, wenden sich die Deutschschweizer düsteren Darstellungen zu.
Frölichers Lehrjahre bei Gaudenz Taverna (1814–1878), seine Ausbildung an der Akademie in München ab 1859 und sein Unterricht beim Landschaftsmaler Johann Gottfried Steffan (1815–1905) stehen ganz im Geiste einer klassisch-idealistischen Kunstauffassung. Frölichers eigene künstlerische Entwicklung wird eingeleitet, als er von 1863 bis 1865 in Düsseldorf die Klasse von Oswald Achenbach (1827–1905) besucht. Dessen Lehre ist geprägt von der italienischen Landschaftsmalerei und einer freien stilistischen Ausführung. Malt Frölicher in den 1860er-Jahren noch klassische Darstellungen mit pittoresken Themen – den Vierwaldstättersee oder Bergbäche –, entfernt er sich in den 1870er-Jahren vom heroisch-dramatischen Bild der Schweizer Alpen, wie es die Genfer Schule unter François Diday (1802–1877) und Alexandre Calame (1810–1864) vertritt. Weitere entscheidende Impulse für die Abwendung von der idealisierten Landschaft hin zu einer unmittelbareren Darstellung des Natureindrucks erhält Frölicher 1877 während seines Aufenthalts in Frankreich, wo er den Sommer in Barbizon verbringt.
Das Gemälde „Torfmoor bei Polling“ gibt eine in warmen Tönen dargestellte Moorebene unter lichtem Himmel wieder. Vom unteren rechten Bildrand zieht sich ein Weg nach rechts, um sodann in einer Linksbiegung weiter in Tiefe zu führen. Im rechten Bildmittelgrund lagert gestochener Torf zum Trocknen in der Sonne, dahinter sind Menschen bei der Arbeit und ein mit Tieren bespannter Wagen beschrieben. Den Abschluss bilden ein regelmässig ansteigender Berg und ein von Wolken bespielter Himmel, die in ihrer hellen Farbgebung mit den dunkleren Tönen des Vordergrunds kontrastieren.
Zum vorliegenden Werk existieren im Kunstmuseum Solothurn Skizzen, Gesamtansichten und Detailstudien, die Aufschluss über Frölichers Erarbeitung der Komposition geben. Angesichts der detaillierten und äusserst naturalistischen Umsetzung der weiten Landschaft in der Umgebung der Stadt München, wo Frölicher sich 1868 niederlässt, zählt das Gemälde zu seinem Frühwerk. Mit den Arbeiten aus dem Jahre 1870 vollzieht er dann endgültig den Schritt von heroischen Gebirgsdarstellungen zu intimen Landschaftsausschnitten. Frölicher präsentiert „Torfmoor bei Polling“ neben „Gänseteich bei Polling“ (1870, Kunstmuseum Winterthur) an der Schweizer Turnusausstellung von 1870. Nicht aufgrund fehlenden technischen Könnens, sondern wegen seiner bescheidenen Motive ernten Frölichers Bilder vernichtende Kritik: „Die französischen Landschafter der letzten Dezennien sind auf die Marotte verfallen, die langweiligsten, unbedeutendsten und ödesten Motive künstlerisch zu behandeln und durch ein raffiniertes Studium der Natur und feine perspektivische Abtonung der Ferne denselben Wert und Interesse zu verleihen.“ („Bund“, 30. Mai 1870)
Dr. Otto Lindt, ein guter Freund Frölichers, erwirbt das Bild sehr wahrscheinlich an der besagten Turnusausstellung erwarb, und es gelangt 1892 als Schenkung in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses.
Karoliina Elmer