Öl auf Leinwand, 100 x 120 cm
Die Baustelle ist eines der typischen Bildsujets des Basler Malers Rudolf Maeglin (1892 – 1971) und liegt in seiner Biografie begründet. Nach einem abgeschlossenen Medizinstudium und kurzer Arbeitstätigkeit als Assistenzarzt am Kantonsspital Genf entschliesst sich der aus wohlhabendem Hause stammende Maeglin 1919, eine freie Künstlerlaufbahn zu beginnen. Er reist nach Italien und Frankreich, nach Spanien und auf die Balearen. Zurück in der Schweiz, arbeitet er ab 1927 auf Baustellen und in verschiedenen Chemiefabriken und findet dort die Motive für seine Malerei. In den 1930er-Jahren hält Maeglin unter anderem den Bau der Dreirosenbrücke und einiger Gebäude des Chemieunternehmens Ciba-Geigy bildlich fest und leistet damit einen kulturhistorisch bedeuenden Beitrag zur Baugeschichte der Stadt Basel.
Obwohl sich Maeglin mit seinem Entscheid, als freier Künstler tätig zu sein, bereits von seinem gutbürgerlichen Umfeld abwandte und offen seine Sympathie zur arbeitenden Klasse bekannte, sind seine Darstellungen weder pathetisch überhöht noch propagandistisch oder anklagend. Die Arbeiter auf Maeglins Bildern sind keine maschinengleichen Wesen, die innerhalb eines grösseren Systems ihren Dienst tun, sondern vielmehr eigenständige Individuen, die ihrer Beschäftigung nachgehen. Obwohl sich Maeglin durch seine Tätigkeit auf dem Bau und in der Industrie als Teil der Arbeiterklasse fühlte, blieb er stets auch Beobachter und suchte die Orte, die er malend festhalten wollte, während Wochen und Monaten immer wieder auf.
Der Schauplatz des Gemäldes „Neubau des Ateliers“ (1947) zeigt die Errichtung des zukünftigen Wohn- und Atelierhauses Maeglins an der Bändelgasse 5 in Kleinbasel. Verantwortet wird der Bau vom Architekten Ernst Egeler (1908 – 1978), wie Maeglin Mitglied der Gruppe 33 und freundschaftlich mit ihm verbunden. Vieles an besagtem Bild ist charakteristisch für Maeglins Malerei, allem voran der klar organisierte, konstruierte Bildaufbau. So finden etwa die Vertikalen des Stangengerüsts in den schlanken Pappeln im Hintergrund ihre Fortsetzung und in den langen Schornsteinen ein zusätzliches Echo. Das Bild wirkt flächig, die Perspektiven sind etwas verzerrt. Die Menschen erscheinen nicht detailliert wiedergegeben, sondern setzen sich vielmehr aus einzelnen Formen und Farbflächen zusammen. Die zwei hölzernen Giebelrahmen im Vordergrund warten auf ihre Installation, bereits angedeutet durch die drei Männer, die im Begriff sind, eines der Dreiecke anzuheben und fortzutragen. Obwohl in der dargestellten Szene gearbeitet wird und die Figuren aktiv sind, strahlt das Bild eine friedliche Ruhe aus. Dies mag vielleicht nicht zuletzt an dem braungebrannten Mann an der Schubkarre liegen, der das ganze Geschehen beobachtet: Rudolf Maeglin selbst.
Bettina Mühlebach, 2022