Öl auf Leinwand, 148 x 103.5 cm
Der Basler Künstler Walter Kurt Wiemken (1907–1941) schafft in den 1930er-Jahren Gemäl-de, die unter dem Einfluss von Kriegsängsten individuelle wie auch kollektive Bedrohungen thematisieren und Visionen von Gewalt und Zerstörung verbildlichen. Das 1975 vom Aar-gauer Kunsthaus angekaufte Werk „Am Rande des Abgrunds“ ist ein solches vom Pessi-mismus geprägtes Spiegelbild jener Zeit.
Eine Menschengruppe steht am Rand einer steil abfallenden Felswand. Im Hintergrund sieht man einen Rummelplatz mit Zelten und einer Achterbahn. Zwei Akrobaten turnen in schwin-delerregender Höhe an einem dünnen, ins Nichts verlaufenden Seil. Eine sich gespenstisch über der Jahrmarktszene auftürmende Wolke ist ein visueller Vorbote des sich in der Tiefe ankündigenden Unheils: Aasgeier befallen einen Leichenhaufen und Skelette tummeln sich neben Engeln. Die Stierkampfszene sowie die Darstellung von Don Quijote, der in der Mitte seine Lanze zum Angriff erhebt, verweisen auf den spanischen Bürgerkrieg, der 1936, also im Entstehungsjahr des Werks, ausbricht. Typisch für Wiemkens Bildsprache ist die Gegen-überstellung widersprüchlicher Elemente, anhand derer er die Ereignisse seiner Zeit scho-nungslos kommentiert. Die Gegensätze von Leben und Tod, von Krieg und Frieden ziehen sich durch sein gesamtes Werk und sind hier in einer spannungsvollen Komposition verbun-den, in der die lichte Tageswelt des oberen Bildteils mit dem dunklen, unheimlichen Abgrund kontrastiert.
Wiemken hat in etwas mehr als zehn Jahren ein inhaltlich wie auch formal äusserst vielfälti-ges Œuvre geschaffen, in welchem seine zwischen Realität und Fantasie oszillierenden Bildwelten hervorstechen. Für Arnold Böcklin (1827–1901) und dessen Fähigkeit, erfundenen Motiven den Schein von Wirklichkeit zu verleihen, hegt Wiemken eine grosse Verehrung. Die Dramen von August Strindberg (1849–1912) sowie die gesellschaftskritischen Blätter von George Grosz (1893–1959) sind weitere wichtige Inspirationsquellen.
Online gestellt: 2018