Bronze (Technik prüfen 7/2015), 51 x 22 x 30 cm
Der im nidwaldnerischen Buochs geborene Joseph Anton Maria Christen (1767–1838) zählt als Bildhauer zu den wichtigsten Vertretern des Klassizismus in der Schweiz und schafft mit der Skulptur „Denkmal für Esther Forcart-Weiss“ (1799, Museum für Wohnkultur / Haus zum Kirschgarten, Basel) das wichtigste Grabmal der Helvetischen Republik. Neben der Gestaltung von patriotischen Figuren und mythologischen Themen erarbeitet sich Christen in erster Linie als Porträtist einen bedeutenden Ruf, der weit über die Landesgrenzen hinaus reicht.
Erste künstlerische Unterweisungen erhält Christen beim Luzerner Maler Johann Melchior Wyrsch (1732–1798) und beim Tiroler Holzbildhauer Friedrich Schäfer (1709–1786), der in Littau eine Kunstschule leitet. Anschliessend reist Christen nach Rom – Zentrum der damaligen internationalen Kunstwelt – und beginnt ab 1788 eine Bildhauerlehre beim Schaffhauser Alexander Trippel (1744–1793), dessen Atelier Treffpunkt der dort ansässigen dänischen, deutschen und deutschschweizerischen Künstler ist. Christen schliesst Freundschaft mit dem Zürcher Maler und Kunsthistoriker Heinrich Meyer (1760–1832) sowie mit dem Maler Konrad Gessner (1764–1826). In der anregenden Umgebung löst sich Christen von der verspielten künstlerischen Herangehensweise des 18. Jahrhunderts und wendet sich dem sachlicheren Klassizismus zu. 1790 kehrt Christen in die Schweiz zurück und gründet zwei Jahre später eine kleine Akademie in Stans. Schon bald beginnt jedoch ein für Bildhauer typisches Wanderleben. Da es in keiner Schweizer Stadt genügend Aufträge gibt, ändert Christen auf der Suche nach neuen Auftraggebern wiederholt seinen Wohnsitz: 1803 übernimmt er eine Reihe von staatlichen Porträts in Aarau. Der Auftrag für eine Kolossalbüste Napoleons führt Christen 1805 nach Mailand. 1808 bis 1812 ermöglicht die Empfehlung des Historikers Johannes von Müller (1752–1809) Christens Mitarbeit an der von König Ludwig I. geplanten Ruhmeshalle Walhalla bei Regensburg. Einen weiteren Höhepunkt bildet der Wiener Kongress 1814 bis 1815, an dem Christen Gesandte aus aller Welt porträtiert.
Die „Büste Albrecht Rengger“ entsteht zwischen 1803 und 1810, als Christen durch den Staatsmann Heinrich Zschokke (1771–1848) gefördert wird, der ihm 1819 auch das Aarauer Bürgerrecht vermittelt. Der Bildhauer schafft ein Andenken an eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die massgeblich an der Entwicklung der Alten Eidgenossenschaft zum Bundesstaat mitwirken. Nach seiner Ausbildung und Tätigkeit als Arzt in Bern beginnt Albrecht Rengger (1764–1835) sein politisches Engagement. 1791 tritt er der Helvetischen Gesellschaft bei, einer Vereinigung aufklärerisch gesinnter Personen, zu der ab 1796 auch Christen gehört. 1814 arbeitet Rengger an der aargauischen Verfassung mit und vertritt die Anliegen des Kantons Aargau am Wiener Kongress. Im gleichen Jahr wird er zum Ehrenbürger von Aarau ernannt und 1815 in den Grossrat sowie in den Regierungsrat gewählt.
Stilistisch erinnert das Werk an Büsten römischer Senatoren und Bürger, wie sie Christen während seiner Ausbildungszeit in Rom angetroffen hat. Über die Anlehnung an klassische Vorbilder hinaus gelingen Christen aber charaktervolle Züge, die der Figur eine intensive Lebendigkeit verleihen. Die Skulptur reiht sich in eine Serie von Porträts, die der Bildhauer für die Regierung des noch jungen Kantons Aargau im Sinne einer Ruhmesgalerie ausführt. Von diesen Plastiken befinden sich die Bildnisse weiterer wichtiger Persönlichkeiten in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses, so zum Beispiel „Büste César de La Harpe“ (vgl. Inv.-Nr. S799), „Büste Professor Rektor Ernst August Evers“ (vgl. Inv.-Nr. S943), „Büste Heinrich Zschokke“ (vgl. Inv.-Nr. S1499.01), „Büste Rudolf Meyer“ (vgl. Inv.-Nr. S1501) oder „Büste Bürgermeister Herzog von Effingen“ (vgl. Inv.-Nr. S938).
Karoliina Elmer