
Videoinstallation, Loop, Variable Länge
Was verbindet Wissenschaft mit Glauben, bzw. Mythologien? Die Filmemacherin und Künstlerin Pauline Julier (*1981, Genf) untersucht diese Schnittstelle, mit der Menschen ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt zu erklären versuchen. Ihre Arbeiten verbinden wissenschaftliche, philosophische und poetische Elemente und vermeiden so einen allzu pädagogischen Zugang zur aktuellen Klimathematik.
In ihrer ersten grossen institutionelle Einzelausstellung „A Single Universe“ (2024) präsentierte Pauline Julier im Aargauer Kunsthaus Arbeiten aus ihren beiden grossen Werkserien „Naturalis Historia“ (2017-2019) und „Occupy Mars“ (2022-2024). Letztere beschäftigt sich mit Elon Musks Plan, den Mars zu kolonisieren. Die Serie untersucht den Planeten als Spiegel der Erde – insbesondere im Kontext von Weltraumforschung und -extraktivismus, wobei sie auch die Ausbeutung der irdischen Ressourcen thematisiert.
Ein zentrales Werk dieser Serie ist die sechsundfünfzig-minütige Videoarbeit „A Million-Year Picnic“ (2024), die in einer Endlosschleife gezeigt wird. Sie beginnt und endet mit der Stimme der Dichterin Anne Carson aus „Lecture on the History of Skywriting“ (2019), welche die menschliche Erfindung der linearen Zeit reflektiert. In einer nebligen, mystischen Atmosphäre zeigt das Video eine marsähnliche Landschaft, die sich später als eine Theaterbühne entpuppt. Darauf gräbt eine Person in Sandschichten und fragt sich, ob der Boden aus Linoleum oder Teppich besteht. An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass wir es mit einer konstruierten Inszenierung zu tun haben.
Auf dieser Bühne finden Gespräche zwischen drei prominenten Forschenden statt: Didier Queloz (*1966, Genf), Nobelpreisträger für Physik 2019, Camille Bonvin (*1979, Chermignon), Kosmologin, und Violaine Sautter (*1959), Planeto-Geologin. Sie besprechen Themen wie die Entdeckung von Exoplaneten (Planeten, die ausserhalb unseres Sonnensystems liegen), die Reise der Marsrover Curiosity und Perseverance, die Entstehung des Universums, die Theorie des Multiversums (die Idee, dass andere Universen neben Unserem existieren) sowie auch die Ursprünge des Lebens auf der Erde. Der Dialog, der um eine Thermoskanne und Campingbecher geführt wird, ist auch von einem Picknick begleitet und stellt eine Verbindung zur Kurzgeschichte „A Million-Year Picnic“ von Ray Bradbury (1946) her. In dieser Geschichte wird das Thema der Selbstreflexion durch die Begegnung mit einer fremden Welt aufgegriffen, was auch im Kontext der Marsforschung relevant ist: Was projizieren wir von unseren eigenen Widersprüchen in unserem Blick auf den Mars?
„A Million-Year Picnic“ ist das Ergebnis eines interdisziplinären Arbeitsprozesses, der in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Eric Vautrin (*1976) am Théâtre Vidy-Lausanne entstand. Die Videoinstallation, zu der auch ein in rotes Licht getauchter Ausstellungsraum gehört, verschränkt wissenschaftliche sowie philosophischen Diskussionen, Momente der Kontemplation und humorvolle Szenen.
Sandrine Huet, 2025