Gips, 100 x 105 x 70 cm
Hans Arp wurde 1886 in Strassburg geboren und erhielt in dieser Stadt seine erste gestalterische Ausbildung (ab 1900). 1904 reiste er zum ersten Mal nach Paris, noch im selben Jahr (1904) begab er sich für eine Fortsetzung der Ausbildung nach Weimar und ab 1908 war er wieder in Paris, wo er an der Académie Julian studierte. 1909 folgte er seinem Vater in die Schweiz, der in Weggis eine Zigarrenfabrik eröffnet hatte. Hier gründete Hans Arp 1911 mit Walter Helbig, Oskar Lüthy und Wilhelm Gimmi die Künstlervereinigung „Der Moderne Bund“. Damit war der Anfang gemacht zu einer Laufbahn, die den Künstler – wie von einem untrüglichen Spürsinn geleitet – immer wieder an einen der damals in Europa sehr zahlreichen Brennpunkte avantgardistischer Aktivitäten führte. 1912 wirkte er in München am Almanach „Der Blaue Reiter“ mit, danach leitete er für kurze Zeit in Berlin die Galerie „Der Sturm“, 1916 gehörte er zu den Gründern von Dada in Zürich, in den 1920er Jahren bewegte er sich im Zirkel der Surrealisten in Paris, 1932 zählte er, wiederum in Paris, zu den Gründern der Gruppe „abstraction-création“ und um 1937 näherte er sich der von Lohse und Leuppi gegründeten Künstlergruppe „allianz“ in Zürich an. Trotz der Zugehörigkeit zu all diesen Künstlergruppen mit ihren teils recht engen Vorstellungen von Kunst, verstand es Arp, sich aus ihren bisweilen sehr heftigen Auseinandersetzungen herauszuhalten und auch künstlerisch seinen eigenen Weg zu verfolgen. Arp war zwei Mal verheiratet, ab 1922 mit Sophie Taeuber (1889–1943) und ab 1959 mit der Baslerin Marguerite Hagenbach (1902–1994). Der Künstler, der als Maler, Bildhauer und Dichter tätig war, starb 1966 in Basel und wurde in der Stadt Locarno beigesetzt, die ihm ein Jahr zuvor das Ehrenbürgerrecht verliehen hatte.
Die Skulptur „Bukolische Landschaft/Paysage bucolique“ stammt aus den späten Schaffensjahren des Künstlers und wurden von seiner Witwe, Marguerite Arp-Hagenbach, dem Kunsthaus Aarau geschenkt. Etwa seit der Mitte der 1910er Jahre vermittelten die Werke von Arp den Eindruck, ihre Formen seien auf natürliche Art entstanden – durch Wachstum oder Verwitterung – und nicht (unbedingt) durch den Einfluss einer menschlichen Hand. Eine Unterscheidung zwischen gegenständlich und ungegenständlich ist in ihnen aufgehoben, da sie z. B. pflanzliche Formen haben, aber keine (bestimmte) Pflanze darstellen. Die dreidimensionalen Arbeiten von Arp, die anfänglich noch meist als Reliefs ausgeführt wurden, lösten sich seit den 1930er Jahren von der Wand, um sich – häufig mit einem zum Werk gehörenden Sockel – als Rundplastiken frei im Raum zu entfalten. Arp hatte viele seiner Plastiken lange Zeit in Gips und nur vereinzelt auch in Bronze oder Stein ausführen können. Erst die finanzielle Unterstützung durch seine spätere Ehefrau Marguerite Hagenbach, die ihn zunächst noch als Mäzenin gefördert hatte und ihm auch im Alltag zur Hand gegangen war, ermöglichte es ihm, einen Teil seines plastischen Schaffens in Bronze zu giessen.
Die „Bukolischen Landschaft“ von 1963 erscheint wie eine Referenz an das genau 100 Jahre zuvor entstandene „Déjeuner sur l’herbe“ von Edouard Manet (1832–1883) und an die Arbeiten von Alberto Giacometti (1901–1966) aus dessen surrealistischer Zeit. Bei dem in fliessenden Formen sich entwickelnde Gebilde könnte es sich um eine stark vereinfachte, liegende menschliche Figur handeln. Doch der Blick, der über die glatte Oberfläche wandert, sucht vergeblich nach einem festen Anhaltspunkt für ein sicheres Erkennen. Es bleibt alles vage. Wie bei einem Musikstück, in dem die Melodien nur angetönt werden, zeichnen sich zwar immer wieder Formen ab, in denen wir einen Arm, ein Bein, Schultern oder auch einen Kopf zu erkennen glauben, doch bevor wir sie sicher zuordnen können, lösen sie sich wieder auf und gehen in andere Formen über.
Hans-Peter Wittwer