Öl auf Leinwand, 57 x 73 cm
Die Sammlung des Aargauer Kunsthauses ermöglicht einen guten Einblick in die Schweizer Kunst des 19. Jahrhunderts, insbesondere in die damals stark verbreitete Landschaftsmalerei. Ein wichtiger klassizistischer Vertreter dieser Gattung ist Joseph Anton Koch (1768–1839). Seine Bedeutung als prägendes Vorbild für Kunstschaffende bis weit in das 19. Jahrhundert liegt in seinem Vermögen, Naturschauspiele zu symbolischen Aussagen im Kunstwerk zu verdichten.
„Das Kloster San Francesco di Civitella“ zeigt einen weich modellierten Landschaftsausschnitt. Von der rechten Bildseite her gleitet der Blick der Betrachtenden entlang eines Weges vorbei an Betenden vor einem Tabernakel zu einem Reiter mit Hund und einem Eremiten in den Mittelgrund. Dort schreitet ein Mönchszug aus einem Kirchengebäude. Dahinter erheben sich bewaldete Hügelzüge, die mit ihrer grünen Farbgebung einen Kontrast bilden zur in hellen Tönen gefassten abschliessenden Landschaft und zum heiteren Himmel.
Der gebürtige Tiroler besucht von 1785 bis 1791 die Hohe Karlsschule in Stuttgart. Nach Aufenthalten in Strassburg und Studien in der Schweiz wandert Koch nach Italien aus, wo er als Wahlrömer ab 1795, mit Ausnahme eines Wien-Aufenthalts von 1812 bis 1815, bis zu seinem Tod lebt. Seine bevorzugten Bildthemen sind die Alpen, die Campagna, das Albaner- und das Sabinergebirge, wo sich bei Olevano das Kloster San Francesco di Civitella befindet. Koch hält sich 1804 mit Gottlieb Schick (1776–1812) und 1805 mit Friedrich Dörr (1782–1841) in der Gegend auf, und es entstehen dort zahlreiche Zeichnungen. Die festgehaltenen Motive fliessen immer wieder in seine Malerei ein, und zwanzig Jahre später greift er sie im vorliegenden Spätwerk auf. Nicht fehlender Ideenreichtum, sondern das Ringen um den besten künstlerischen Ausdruck lassen Koch wiederholt die gleichen Themen bearbeiten.
Der Künstler empfindet die Region rund um das Kloster bei Olevano als „höchst romantisch“. Die Figuren der Betenden, des Eremiten und der Mönche deuten auf einen religiösen Hintergrund. Kochs Grundhaltung ist jedoch entscheidend vom Klassizismus geprägt. Die Position der Nazarener, Vertreter einer anfangs des 19. Jahrhunderts in Wien und Rom begründeten, glaubensstarken Stilrichtung, reizen Koch zwar, haben aber keine bleibende Wirkung auf sein Schaffen. Stets bleibt der Künstler der Realität verpflichtet, und erst in seinen späteren Arbeiten treten Gefühle in den Vordergrund. Der Bildaufbau weist Koch als rational gliedernden Klassizisten aus. Seine Werke zeugen von besonderer Genauigkeit in der Beobachtung und deren Wiedergabe. Kochs künstlerisches Ziel führt ihn zur gleichberechtigten Behandlung von Nahem und Fernem: Keine Luftperspektive mildert die Formen zum Horizont hin oder dämpft das Kolorit – die Motive erscheinen alle gleich intensiv und klar. Dieser bewusste Gestaltungswille findet zu Lebzeiten des Künstlers kaum Anklang. Erst nachfolgende Künstlergenerationen erkennen in Koch einen Erneuerer von Traditionen, die in der klassischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts wurzeln.
Seine kunsttheoretische Schrift „Gedanken eines in Rom lebenden Künstlers über die Kunst in den letzten Decennien des vorigen und dem ersten des laufenden Jahrhunderts“ aus dem Jahr 1810 bildet eine wichtige Quelle für seine künstlerischen Überzeugungen: „Die Natur in ihrer Construction und Wirkung soll und muss der Künstler genau kennen; aber sie ist nicht sein hauptsächlicher Zweck, sondern nur reales Mittel seiner Kunstdarstellung. Den Geist der Natur zu fassen, ist das eigentliche Ziel des Naturstudiums.“ Und weiter: „Ohne Ideen ist bei mir die Kunst nichts Sonderliches, blosse Nachahmung der Natur gibt noch kein Kunstwerk, bleibt tief unter der Natur, ist Nachäffung. Nur mit Ideen aufgefasst, das gibt eine Welt, wobei man mit Vergnügen verweilt.“ Somit geht es Koch nicht um die getreue Wiedergabe von Örtlichkeiten, sondern um die Vermittlung bestimmter Ideen anhand von Naturdarstellungen. Die Idylle des Ortes um Olevano spricht Koch an, und er erschafft in seinem Bild eine Darstellung von idealer Schönheit. Die Staffagefiguren beleben die Szene und verhelfen der Komposition zu ihrer Ausgewogenheit. Darüber hinaus sollten sie eine erziehende Wirkung auf die Betrachtenden ausüben.
Karoliina Elmer