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Leo Leuppi, Die Tänzerin Moa-Mandu, 1929
Öl auf Karton, 65 x 55 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Mit einem koordinierten Ausstellungsprojekt blickten das Aargauer Kunsthaus, das Kunstmuseum Winterthur, das Zürcher Museum für Gestaltung und das Kunsthaus Zürich im Herbst 1981 auf die Schweiz der 1930er-Jahre zurück. Deutlich zeigten die vier Präsentationen, wie weit die Positionen damals ideologisch und ästhetisch auseinanderlagen. Sie markierten – so der Untertitel der Schau im Kunsthaus Zürich – ein „Jahrzehnt im Widerspruch“.

Parallel lief in Aarau der Aufbau einer Sammlungsgruppe, welche die wichtigsten Kräfte jener Jahre spiegeln sollte. Hatten die Nachkäufe schwerpunktmässig zunächst der figurativen Moderne gegolten, rückte 1980–81 auch das Lager der Abstrakten verstärkt in den Blick. Unter ihnen war Leo Leuppi (1893–1972) wohl nicht zufällig einer der ersten, die Aufnahme in die Sammlung fanden. Gleich drei seiner Werke konnten im Kontext seiner Retrospektive im Zürcher Helmhaus von 1980 erworben werden und ihre weite stilistische Spanne macht klar, weshalb der Zürcher Maler und Grafiker geradezu prädestiniert war, einer der künstlerseitig agilsten Vermittler seiner Generation zu werden. Überzeugt, dass nur ein geeintes Auftreten den jüngsten Strömungen Beachtung bringen würde, vertrat er die Idee eines Schulterschlusses schon ab 1929 und gründete 1934 die „Groupe Suisse abstraction et surréalisme“. 1936 rang er dem Kunsthaus Zürich die Zusage zur programmatischen Ausstellung „Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik“ ab und 1937 initiierte er die erfolgreich wirkende, von ihm bis 1957 auch präsidierte Künstlervereinigung „Allianz“.

Auf seinem eigenen künstlerischen Weg fand Leuppi ab 1933 zu einer undogmatischen Abstraktion, die sowohl konstruktiv-geometrische als auch lyrisch-organische Phasen durchlief. Davor ist zu beobachten, wie sich sein expressiv geprägtes Frühwerk schon unter dem Eindruck des synthetischen Kubismus zusehends klärte. Aus diesem Schaffensabschnitt, in dem sich Leuppi speziell für Juan Gris begeisterte, stammt das vorliegende Werk. Von den Figurenbildern, die zunächst entstanden, ist es eines der frühesten. Es ist aber auch deshalb besonders, weil Leuppi die Dargestellte im Unterschied zu den sonst meist generischen Kompositionen im Titel mit Namen nennt. 1929 datiert, zeigt das Bild die zwei Jahre zuvor in London an einer Vergiftung mit Schminkbronze verstorbene Artistin Moa, die man heute vor allem als frühes Modell von Egon Schiele kennt. Unter den Pseudonymen Moa Nahuimir oder Moa Myosa trat sie an der Seite ihres Partners, Schieles Studienfreund Erwin Osen, auf den Wiener Variétébühnen als Tänzerin und Mitwirkende sogenannter Tableaux vivants auf. Als Moa Mandu hatte sie zudem 1919 in einem Stummfilm die Rolle einer exotischen Tänzerin inne.

Anders als Schiele, der die dunkelhäutige junge Frau mit dem ihm eigenen Hang zur erotischen Aufladung meist in ganzer Grösse festhielt, entschied sich Leuppi für ein Dreiviertelporträt. Dabei konzentrierte er sich nicht nur auf das von Zeitgenossen als „Antlitz einer ägyptischen Prinzessin“ beschriebene Gesicht. Er charakterisierte die Tänzerin auch über eine expressive Geste. Beides, Kopfpartie wie Pose der Hände, erfuhr in Abkehr vom grundsätzlich malerischen Ansatz eine lineare, zeichnerische Behandlung. So tut sich sowohl zu den runden Flächen von Stirn, Scheitel und Oberarm als auch zur kantigen Ausgestaltung der rahmenden Formen ein spannungsvoller Gegensatz auf. Dieses Arbeiten mit Gegensätzen, die sogleich wieder harmonisch verbunden werden, ist für Leuppis gesamte Werkentwicklung typisch. Wenig überraschend stösst man denn auch auf weitere Kontrastpaare wie die vertraute kubistische Mischung von Frontal- und Profilansicht oder das Spiel von warmen und kühlen, bunten und unbunten Farben. Am Ende treffen sich Farb- und Formschema dann wieder im kompositorischen Grundgerüst. Dieses wird einerseits von den aufwärts strebenden blauen und ockerfarbenen Elementen bestimmt, die das V der überkreuzten Arme hinterfangen. Andererseits bilden Ocker, Hellgelb, Weiss und Grau einen Kegel, der sich von oben über die Figur legt und so mit knappen Mitteln Moas Welt umreisst: das Scheinwerferlicht.

Astrid Näff

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