Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
X
Teresa Hubbard Alexander Birchler, Eight, 2001
1-Kanal-Video, Farbe, Ton,
Aargauer Kunsthaus Aarau / Depositum der Walter A. Bechtler-Stiftung
Copyright: Hubbard / Birchler
Fotocredit: Courtesy the Artists

Seit 1989, als sie sich in Banff, Kanada, als Artists in Residence kennenlernten und in der Folge ihr Masterstudium am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax gemeinsam absolvierten, befassen sich Teresa Hubbard (*1965) und Alexander Birchler (*1962) mit den Praktiken der Narration. Im ersten Jahrzehnt ihrer Zusammenarbeit bedienten sie sich dafür nebst skulpturalen Ansätzen vor allem der Fotografie, deren Eignung, ein Davor und Danach anzudeuten, sie in offensichtlich gestellten, im Sinne der „staged photography“ theatralischen Situationen ausloteten. In voyeuristisch angelegten Inszenierungen gewannen sodann die Betrachterperspektive und die Konstruktion von Räumlichkeit an Bedeutung, bis schliesslich 1999 der Einbezug des bewegten Bildes erfolgte. In gefühlter Nähe zur medienreflexiven Vancouver School rund um Künstler wie Jeff Wall (*1946), Rodney Graham (*1949) und Stan Douglas (*1960) gilt das spezifische Interesse des amerikanisch-schweizerischen Künstlerpaares seither dem Cineastischen, seinen Methoden der Fiktions- und Illusionserzeugung und seinen Orten der Produktion und Zirkulation.

Die 2001 realisierte Videoarbeit „Eight“ ist ein frühes und typisches Beispiel für die Art und Weise, wie Hubbard und Birchler dabei ihre Erzählräume gestalten. Der Titel verweist zunächst auf die Handlung, die um ein Mädchen kreist, das seinen achten Geburtstag feiert. Ein Wolkenbruch hat das Grillfest im Garten jäh beendet, und so sehen wir die junge, von Anna Reyes gespielte Protagonistin, wie sie erst mit nachdenklicher Miene durch ein regennasses Fenster auf die Reste des Picknicks schaut und dann beherzt ins Gewitter hinaustritt, um sich ein Stück ihrer Geburtstagstorte abzuschneiden. In opulenten, hochästhetischen Bildern fängt die Kamera die Blicke und Bewegungen der Alleindarstellerin ein. Dazwischen gleitet sie in langsamer Fahrt über die Requisiten und baulichen Komponenten des Films. Die Handlung endet im Innern, wie sie begonnen hat: mit dem zum Fenster schreitenden und nach draussen blickenden Kind.

Auf diese Loop-Struktur zielt die zweite Lesart von „Eight“. Sie lenkt das Augenmerk auf das ebenso simple wie raffinierte Filmset, das als Summe mehrjähriger Denkarbeit die in den Vorgängerwerken noch deutlicher aufgezeigten Brüche im Raum-Zeit-Gefüge kunstvoll verbirgt. Wie Stills vom Drehort verraten, ist im Garten eines Wohnhauses eine Teilreplik von dessen Wohnzimmerwand aufgebaut. Sie dient als Ausgangspunkt der Kamerafahrt, während der Endpunkt im echten Wohnzimmer liegt. Der Schnitt vom Innen- auf den Aussenraum und umgekehrt erfolgt jeweils mit einem Close-up auf das Gesicht des Mädchens, derweil die über Wände und Tische streichende Kamera Kontinuität demonstriert. Eine unauffällige Tonspur – leise Stimmen aus dem Off, prasselnder Regen – wirkt ebenfalls ablenkend und sorgt zusammen mit dem atmosphärisch gehandhabten Kunstlicht für eine magisch-melancholische Stimmung. Das Setting entspricht damit ganz dem Wunsch der Künstler, den Eindruck eines weinenden Raumes zu vermitteln. Zugleich fördert es, schlüssig impliziert in der hermetischen Endlosstruktur, die psychologische Deutung der Szene als Metapher für das trotz mutigem Schritt aus dem behüteten Heim in die stürmische Nacht noch nicht absehbare Ende der kindlichen Existenz. Dieses beleuchten die Künstler erst im Follow-up „Eighteen“ (2013). Souverän nutzen sie auch hier Raum, Licht und Ton als Bedeutungsträger für die Hoffnungen und Sehnsüchte junger Menschen. Abermals mit Anna Reyes in der Hauptrolle und virtuos mit Eigenzitaten spielend, zeichnen sie so ein empathisches Bild des „coming of age“.

Gefilmt wurden sowohl „Eight“ als auch „Eighteen“ „on location“ in Austin, Texas, wo das Künstlerpaar seit vielen Jahren lebt.

Astrid Näff, 2018

X