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François Morellet, Relâche compact No. 4 (2-teilig), 1993
Acryl, Bleistift und Öl auf Leinwand, Aluminium lackiert, Neonröhren, 197 x 160 x 20 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung aus Privatbesitz
Copyright: ProLitteris, Zürich

François Morellet (*1926) zählt zu den international bedeutendsten Vertretern der konkreten Kunst. Als Autodidakt wendet er sich in den 1950er-Jahren der geometrischen Abstraktion zu, wobei das Schaffen von Max Bill (1908–1994) ein wichtiger Einfluss ist. Alles Figürliche, aber auch Abstrahierende verschwindet aus seiner Malerei und an ihre Stelle tritt eine ungegenständliche, geometrische Formensprache, die auf systematischen Konzepten und arithmetischen Regeln basiert. Ist Morellet in seiner Heimat Frankreich erst in den letzten Jahren zu den führenden Künstlern aufgestiegen, so wird sein Schaffen insbesondere in Deutschland und in der Schweiz schon viel früher rezipiert. Es stösst beispielsweise im Umfeld der konkreten Künstler der zweiten und dritten Generation auf Widerhall. In der Sammlung des Aargauer Kunsthauses, in der die konstruktiven und konkreten Tendenzen in der Schweizer Kunst der letzten Jahrzehnte einen wichtigen Stellenwert einnehmen, bilden drei Wandinstallationen von Morellet sowie eine frühe Serigrafie eine wichtige internationale Referenz.

Morellets Verdienst ist es, den konstruktiven Ansatz seiner Vorläufer um die Elemente der Bewegung, des Zufalls und des Humors zu erweitern. Morellet gilt deshalb bisweilen als Aussenseiter unter den Konkreten; insbesondere in den 1990er-Jahren bricht er immer wieder gezielt mit seinem eigenen Minimalismus. Ein Beispiel dafür ist die Wandinstallation „Relâche compact No. 4“ (1993). Sie gehört zur Serie der „Relâches“, die 1992 entsteht und im Folgejahr als „Relâches compacts“ fortgeführt wird; erstmals ausgestellt ist sie 1993 in der Pariser Galerie Liliane et Michel Durand-Dessert. Der wortspielerische Titel, der so viel bedeutet wie „Lockerung“, ist Programm. Morellet löst sich im reifen Werk von der didaktischen Strenge der geometrischen Kunst und lockert seinen eigenen Reduktionismus auf. Zugleich funktionieren die Arbeiten der Serie als Rückblick auf das eigene Schaffen. Morellet kombiniert in ihnen nämlich alle Materialien, die er bis anhin zum Einsatz gebracht hat: weiss grundierte Leinwand, Neonröhren, Klebestreifen und Aluminiumstäbe. Bei „Relâche compact No. 4“ haben wir es mit einer quadratischen Leinwand zu tun, die ungefähr in einem 30-Grad-Winkel zur Horizontalen hängt. Darauf montiert sind ausgehend von einem vermeintlichen Zentrum und in scheinbar ungeordneter Schichtung Winkel aus Aluminium sowie Neonröhren, die Bezüge zu den Seiten des Trägerquadrats schaffen. Mit Neonlicht arbeitet Morellet seit 1963, es ist sein Markenzeichen. Auch Aluminium ist ein wiederkehrendes Material zur räumlichen Darstellung geometrischer Elemente. In der Wandinstallation sind die Winkel zu einem opulenten Bouquet arrangiert – es ist gar die Rede davon, dass Morellet mit diesen Arbeiten „barock“ geworden sei. Nichtsdestotrotz liegt auch der Serie der „Relâches“ ein Regelwerk zugrunde. Es bestimmt die Anordnung der Winkel sowie die Positionierung der Leinwand und beruht auf zufälligen Zahlenkombinationen, die Morellet dem örtlichen Telefonbuch entnimmt. Indem jeder Ziffer von 0 bis 9 Winkelgrade zugeordnet werden, liefert eine zufällige Zahlensequenz die Vorlage für das Anbringen der Winkel und damit für das Erscheinungsbild der Arbeit.

Yasmin Afschar

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