Stahlblech, bemalt, geflochten auf Leinwand, 190 x 180 cm
Beat Zoderer (*1955) lebt und arbeitet seit bald vierzig Jahren in Wettingen im Kanton Aargau. Er ist Objekt- und Installationskünstler und schafft Wand- und Raumarbeiten sowie Collagen und Zeichnungen. Auf spielerische Art und Weise knüpfen sie an die konkret-konstruktive Tradition an und übertragen diese in die Sphäre des Alltags. Seine Werke werden in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt; 2008 findet im Haus Konstruktiv in Zürich die erste umfassende Retrospektive seines Schaffens statt. Auch im Aargauer Kunst- und Kulturleben ist Zoderer eine feste Grösse: 1994 gewinnt er den Manor Kunstpreis Aargau, infolgedessen eine Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus ausgerichtet wird. 2009 folgt der Aargauer Kulturpreis. In der Sammlung des Kunsthauses befinden sich rund ein Dutzend Werke von Zoderer – neben einer Reihe von Papierarbeiten und Collagen sowie zwei Objekten ist dies die 1995 entstandene Wandarbeit mit dem lapidaren Titel „Blech auf Leinwand Nr. 3“. Mit ihrer RAL-Farbigkeit und der geometrischen Gitterstruktur ist sie als typischer „Zoderer“ unverkennbar.
Zoderer wird häufig als konkreter Künstler bezeichnet. Auf den ersten Blick mag das Geltung haben, machen doch viele seiner Werke den Anschein, auf einer Systematik zu beruhen. Auf den zweiten Blick aber nehmen wir das Material wahr, das so gar nicht den üblichen Merkmalen konkreter Kunst entspricht. Im Einsatz sind Folien, Klebebänder, Wollfäden, Bleche, Spanplatten, Aktenordner, Gummibänder – banale Alltagsware, die Zoderer in Baumärkten und Warenhäusern auftreibt und in seinen geometrisch-ornamentalen Bildwelten verwertet. Somit zitiert der Künstler zwar die visuelle Erscheinung der konkreten und konstruktiven Kunst, bricht aber zugleich nicht nur mit ihrer Forderung nach Materialgerechtigkeit, sondern auch mit ihrer Präzision und rationalen Strenge. An deren Stelle treten ein spielerischer Ansatz und eine gewisse Regellosigkeit mit dem Ziel, vorgefertigte Grundsätze zu dekonstruieren. Der sich hartnäckig haltende Widerspruch zwischen Kunst und Alltag ist eine der Prämissen, die Zoderer durch die Verwendung „armer“ Materialien zu überwinden sucht.
Nichtsdestotrotz zieht sich die konstruktiv-konkrete Tradition als wichtiger Impuls durch Zoderers Schaffen. Zwischen 1995 und 1998 entstehen beispielsweise die ersten auf Gitter- und Flechtstrukturen aufbauenden Wandbilder, zu denen auch die Arbeit „Blech auf Leinwand Nr. 3“ zählt. In den rechtwinkligen Überlagerungen von Horizontalen und Vertikalen ist die Referenz auf die klassische konkrete Kunst von Richard Paul Lohse (1902–1988) oder Max Bill (1908–1994) offensichtlich. Anstelle von Farbe aber appliziert Zoderer Wollfäden, PVC-Streifen, Schlagschnüre, elastische Bänder oder, wie hier, Stahlbleche. Diese sind unterschiedlich breit und farbig, horizontale und vertikale Streifen sind miteinander verflochten und auf einer weissen Leinwand montiert. Eine Systematik scheint dem Flechtwerk zugrunde zu liegen; bloss flirren die Farben, und der Rhythmus verschiebt sich. Fehler sind eingebaut, sodass der Versuch, der Struktur auf die Schliche zu kommen, in Orientierungslosigkeit endet. Ordnung und Unordnung halten sich die Waage, das Geometrische zeigt sich opulent ornamental. Sein Prinzip überträgt Zoderer später in den Raum. In installativen Bodenarbeiten steigert er seine geflochtenen Strukturen in das Monumentale, so auch im Aargauer Kunsthaus: Anlässlich seiner Ausstellung versieht er 1995 den Vorplatz des Kunsthauses mit einer bunten Gitterstruktur aus Kaltplastik.
Yasmin Afschar