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Otto Abt, Côte d'Azur, 1934
Öl auf Leinwand, 80 x 140 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Depositum Basler Kunstverein
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Seinem Vater gleich entscheidet sich Otto Abt (1903–1982) für ein Studium der Medizin, das er jedoch nicht abschliesst. Parallel dazu besucht er ab 1924 die Gewerbeschule Basel, wo er sich mit Walter Kurt Wiemken (1907–1941) und Walter Bodmer (1903–1973) anfreundet. Aufgrund eines Skiunfalls in der Jugend ist Abt für zweieinhalb Jahre bettlägerig und im Sanatorium in Leysin stationiert. Zu dieser Zeit beginnt er intensiv zu malen. 1927 bezieht Abt ein Atelier in Basel und reist zum ersten Mal, zusammen mit Wiemken, nach Paris. Es folgen zahlreiche Reisen, die ihn – oft in Begleitung von Bodmer und Wiemken – in verschiedene Länder Europas führen: nach Frankreich, Italien, Jugoslawien, Deutschland, Spanien. Im südfranzösischen Collioure lernen die Künstlerfreunde den seit 1923 in Paris lebenden Serge Brignoni (1903–2002) kennen, der ihr Interesse für den Surrealismus weckt. 1933 gründen Abt, Wiemken und Bodmer zusammen mit weiteren Basler Malern die Künstlervereinigung „Gruppe 33“, die sich aus Künstlern verschiedener Stilrichtungen zusammensetzt.

Zusammen mit Bodmer und Wiemken vertritt Abt innerhalb der „Gruppe 33“ die surrealistische Richtung. Die politisch engagierten Künstler finden in der Bildsprache des Surrealismus u. a. eine Möglichkeit, ihre Abscheu gegenüber dem sich anbahnenden und dann tatsächlich eintretenden Kriegsgeschehen auszudrücken. Atelierszenen und bühnenartige Kompositionen gehören zu den zentralen Motiven von Abts Malerei. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Themen der Tarnung und (De-)Maskierung, beeinflusst von der Tradition der Basler Fasnacht.

Von Weitem ist auf Abts Werk „Côte d’Azur“ nicht viel zu erkennen. Einen Grossteil des Bildes nimmt eine tonige, bräunliche Fläche ein: ein Strand, an den sich oben ein schmaler Streifen gräulicher Himmel und in der linken Bildecke ein noch dünnerer Streifen blaugraues Meer anschliesst. Wie eine Bühne wirkt die braune Ebene – darauf, locker angeordnet, ein Ensemble von Akteuren und Requisiten, die auf den ersten Blick nicht leicht zu identifizieren sind. Bei näherem Betrachten tut sich jedoch Fantastisches bis Grauenhaftes auf: Der Hügel – in dessen Innerem ein seiltanzendes Mädchen, ein Skelett mit Blumen, eine fliegende Figur mit Kreuz und ein nackter liegender Körper – wird von den Flügeln und vom Kopf eines schwarzen Vogels bedeckt; davor stehen zwei zerfallene Hausmauern, ein Tierkadaver liegt daneben. Die rechte untere Ecke bevölkern zwei weitere Figuren, eine davon mit einem Lampenschirm anstelle eines Kopfes. In der Bildmitte ziehen sich Blutspuren, und am Boden liegen scheinbar leblose Gestalten. Der durch zwei Linien angedeutete Weg führt zum Horizont, der jedoch keine Rettung verspricht: Rauchsäulen brennender Häuser ragen in den Himmel. Am linken Bildrand ist eine überdimensionale Muschel Teil der grotesken Szenerie, neben ihr etwas Muschelähnliches, das sich aber als zwei flüchtende Figuren entpuppt. In Form einer assoziativen Montage bringt Abt Komponenten zusammen, die bereits für sich allein betrachtet von eigenartiger Natur sind, in ihrer Kombination aber noch rätselhafter erscheinen. Die Figuren sind verletzt, in Not oder des Wahnsinns. Der reizende, verheissungsvolle Titel „Côte d’Azur“ erweist sich als Bild eines Strandmassakers, aus dem niemand unversehrt hervorgeht.

Bettina Mühlebach, 2018

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