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Paul Klee, Mit Sonnenschirm bei Tieren II, 1937
Kohle, Kleister und Aquarell auf Papier auf Karton, 47.5 x 31 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung
Fotocredit: Jörg Müller

Die kleine, aber kostbare Werkgruppe Paul Klees (1879–1940) in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses stammt einerseits aus einer Schenkung der Vereinigung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung und andererseits aus dem Besitz von Dr. Othmar und Valerie Häuptli, die dieser Vereinigung ebenfalls angehören. Alle Arbeiten – mit einer Ausnahme – lassen sich dem Spätwerk des Künstlers zuschreiben. Klee gehört zu den grossen Kunstschaffenden der klassischen Moderne. Sein technisch, formal, inhaltlich und ikonografisch vielfältiges Œuvre verweigert sich einer bestimmten Stilrichtung und entfaltet seine prägende Kraft bis in die Gegenwart.

Klees späte Arbeit ist nicht wie bei anderen Malern als künstlerische Vervollkommnung des Lebenswerkes zu bezeichnen, sondern unterscheidet sich durch einen tief greifenden Stilwandel in hohem Masse von vorher Geschaffenem. Klee wächst in Bern auf und absolviert sein Malereistudium in München. Aufgrund seiner Professuren am Bauhaus in Weimar und Dessau sowie an der Düsseldorfer Kunstakademie verbringt er den grössten Teil seines Lebens in Deutschland. Als „entarteter“ Künstler sieht sich Klee 1933 gezwungen, nach Bern zurückzukehren. Die Emigration, die daraus resultierende Isolation und der Ausbruch einer schwerwiegenden Bindegewebskrankheit stürzen Klee in eine Krise, die er aber zu überwinden und als Wendepunkt zu seinem letzten künstlerischen Höhepunkt zu nutzen weiss.

„Mit Sonnenschirm bei Tieren II“ ist Teil einer grösseren Werkgruppe, in der Klee mit neuen Bildträgern, Mal- und Zeichenmaterialien experimentiert: Im vorliegenden Blatt kombiniert er eine weiche Kohlezeichnung mit toniger Malerei in selbst hergestellter Kleisterfarbe. Auf einen mit verschiedenen leuchtenden Pastelltönen gestalteten Bildgrund malt Klee ein dunkles, zwischen abstrakter Ordnung und inhaltlichen Assoziationen oszillierendes Liniengefüge, in dem die titelgebende Szene auszumachen ist. Am unteren rechten Bildrand nimmt eine Figur mit einem über das Haupt gehaltenen Schirm beinahe die ganze Bildhöhe ein. Links daneben kann eine tierähnliche Gestalt, darüber ein Vogel erkannt werden; im Hintergrund sind Berge auszumachen. Weiter wird die Komposition durch Geraden, Diagonalen, Winkel und Kreissegmente belebt – die früheren zarten Linien wandeln sich im Exil zu schweren Zeichen. Gleich einem Ausbalancieren der Bildfläche hat Klee die grafischen Elemente frei verteilt und die eine oder andere gegenständliche Assoziation weiterverfolgt.

Klee erschafft bis zur legendären Tunisreise 1914 mit seinen Künstlerfreunden August Macke (1887–1914) und Louis Moilliet (1880–1962) hauptsächlich Zeichnungen. Der Aufenthalt in der fremden Umgebung und das klare südliche Licht lösen in Klee den entscheidenden koloristischen Impuls aus für den Durchbruch seiner persönlichen Bildsprache. In seinem Spätwerk kehrt der Künstler erneut zum Primat der Zeichnung und mit ihr zur Linie zurück, die für ihn ein selbstständiges bildnerisches Element – Form und Inhalt zugleich – bedeutet: „Also es gibt sicher Linien im Gegensatz zu Flächen und Körpern. Und was ist Linie im Übrigen noch alles! Strom in der Ferne. Gedanke. Bahn. Angriff. Degen, Stich, Pfeil, Strahl. Schärfe des Messers. Gerüst. Zimmermann aller Form: Lot.“

Im Allgemeinen kann zur Bildsprache von Klees Spätwerk angeführt werden, dass sie die Rolle des unmittelbaren Trägers persönlicher Mitteilungen innehat. Das bedeutet aber nicht, dass die Aussagen für Betrachtende leicht zu entziffern wären. Zu Klees Befindlichkeit in den letzten Lebensjahren existieren kaum Aufzeichnungen, was den Werken die Funktion eines Tagebuchs zukommen lässt.

Karoliina Elmer

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