Ölfarben auf Papier, 16.5 x 12.3 cm
Albrecht Schnider, 1958 in Luzern geboren, war lange vor allem als Maler bekannt: durch Landschaften und Porträts, durch figurative Szenebilder und abstrakte Kompositionen, in denen das Malerische weitgehend zurückgenommen ist. Alles Handschriftliche und jeder Duktus ist hier zu Gunsten einer glatten Oberfläche verschwunden. Auch wenn sich gegenständliche Assoziationen einstellen, manifestiert sich in erster Linie reine Bildlichkeit. Vor diesem Hintergrund überraschte die starke Präsenz von Zeichnungen, die im Rahmen seiner Einzelausstellung 2006 im Aargauer Kunsthaus erstmals in grösserem Umfang gezeigt wurden. Überraschend waren auch erste kleinformatige Skulpturen aus Holz und Draht. Inzwischen hat Albrecht Schnider diesem lange zurückgehaltenen Teil seines Schaffens weitere Aufmerksamkeit zukommen lassen, so dass das Kunstmuseum Solothurn im Frühjahr 2011 eine ausschliesslich auf Zeichnungen und Objekten basierende Ausstellung einrichten konnte.
Das Aargauer Kunsthaus verfügt bereits über eine Reihe kleiner Landschaftsbilder und zwei grossformatige abstrakte Malereien von Albrecht Schnider. Im Nachgang zur Retrospektive von 2006 konnte nun eine Gruppe von Zeichnungen sowie eine neue Skulptur erworben werden. Auch wenn die meisten seiner Gemälde auf Zeichnungen beruhen, sind diese dennoch als autonome Werke zu betrachten und gehen über den Status von Vorzeichnungen hinaus. Vielmehr scheint der Künstler zeichnend eine radikale Interesselosigkeit anzustreben und intuitiv eine Konstellation zu suchen, in der Linie und Fläche, Figur und Grund, Fülle und Leere als kontrastierende Momente aufgehoben sind. Das kann zuweilen zu besonderen Bildfindungen führen, die er in mittel- oder grossformatige Malerei übersetzt. Nicht selten bleibt es aber bei der Zeichnung, in der anders als im gemalten Bild der Charakter des Spontanen, Fliessenden, Intuitiven bewahrt bleibt. Damit bringt Schnider den künstlerischen Prozess als einen besonderen Erkenntnisweg zum Ausdruck, der auf dem Weg durch das Unbedeutende, Leere, Nichtige zu neuer Erkenntnis führt. Unterstützt wird das auch durch die neueren Skulpturen, die Schnider aus Fundstücken, Verbrauchsmaterialien und Relikten aus dem Atelier baut, wobei sowohl der Akt des Sammeln wie auch die Zusammenstellung selbst von Zufällen und spontanen Entscheidungen geprägt sind. Das ändert nichts an der Tatsache, dass auch auf diesem Weg Konstellationen entstehen, die gerade durch die Banalität und Nichtigkeit der verwendeten Materialien höchste Bedeutungsfülle erhalten. So erinnern der umgekehrte Farbtopf, der Deckel einer Suppenschüssel und das darauf thronende Kaugummifigürchen in „Ohne Titel“ (2009), in ihrer strahlenden Reinheit plötzlich an ein Baptisterium oder ein klassizistisches Denkmal.
Stephan Kunz