Aquarell auf Papier, 152 x 101 cm
Joachim Bandau (*1936) lebt und arbeitet in Aachen sowie in Stäfa bei Zürich. Nach seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf tritt der aus Köln stammende Künstler zu Beginn der 1960er-Jahre erstmals mit plastischen Arbeiten in Erscheinung. Er erschafft mobile Skulpturen aus glasverstärktem Polyester – futuristisch-organische Figuren, denen irgendwo zwischen Mensch, Maschine und Design eine stark dystopische Dimension innewohnt. In Weiterführung dieser Werke konzipiert Bandau das Skulpturenensemble „Kabinen-Mobile“, mit dem er 1977 an der „documenta 6“ vertreten ist. Ab 1978 wendet sich Bandau jedoch einer geradlinigeren, geometrischen Formensprache zu. Resultat sind minimalistische, meist kubische Plastiken aus Blei und Stahl, die archetypisch für architektonische Körper stehen und Fragen nach Raum und Räumlichkeit aufwerfen. Im Jahr 1983 schliesslich entstehen die ersten Schwarzaquarelle. Bandau legt damit den Grundstein für eine Werkgruppe, die mittlerweile auf Hunderte von Blättern angewachsen ist. Der Künstler geht dabei stets nach dem gleichen Prinzip vor: Mit einem breiten japanischen Haarpinsel trägt er stark verdünnte Farbe in Schichten auf ein schweres Büttenpapier auf. Nach jeder Schicht muss die Farbe trocknen und das Papier gepresst werden, damit es sich nicht zu stark wellt. Dieser Vorgang wird etliche Male wiederholt – bis vierzig Arbeitsschritte will Bandau schon gezählt haben, wobei sich das Bildmotiv zunehmend stärker artikuliert. Das Schwarz wird nach und nach schwärzer und die Überlagerung der einzelnen Schichten komplexer. An den Rändern des Pinselstrichs sammeln sich die Pigmente und zeichnen einer Linie gleich Begrenzungen; zudem dramatisiert sich der Gegensatz zwischen den opaken Zentren und den Lineaturen in den Randregionen. Bis ein Aquarell „fertig“ ist, können Wochen vergehen.
Obschon die Schwarzaquarelle nach den immer gleichen Parametern entstehen, erstaunt die motivische Vielfalt, die Bandau in dieser Werkgruppe an den Tag legt. Mal sind die Pinselflächen frei auf dem Bildträger verteilt, dann wieder folgen sie strikten Rastern. Steht im vorliegenden Bild die Betonung des Bildzentrums im Vordergrund, thematisieren jüngste Papiere primär den Bildrand. Bei diesem titellosen Blatt, das 2002 als Schenkung Eingang in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses fand, haben wir es mit einem besonders dunklen Beispiel der Schwarzaquarelle zu tun. Grösste Teile des querformatigen Papiers sind in tiefem Schwarz gehalten, nur in den Randzonen zeichnen sich die einzelnen Farbschichten in unterschiedlich dichten Graustufen ab. Bei näherer Betrachtung erkennen wir, wie das Papier im Bildzentrum regelrecht von der Farbe durchdrungen ist, wohingegen an den Rändern Durchblicke in die unteren Farbschichten gewährt werden. Die rechteckigen Farbflächen sind unregelmässig übereinandergelegt – einmal ist die Fläche parallel zum Papier aufgetragen, mal nach rechts gekippt, mal nach links, mal ist der Abschluss der Farbfläche präzise, mal lässt Bandau ihn ausfransen. Diesen Überlagerungen und Verschiebungen ist die auffällige Bildtiefe zu verdanken. Sie spricht für Bandaus fortwährende Beschäftigung mit dem Raum, die sich nicht nur auf sein bildhauerisches Schaffen beschränkt, sondern sich auch im Medium der Zeichnung fortsetzt.
Yasmin Afschar