Serigraphie auf Baumwolle,
Mit farblich verhaltenen Serigrafien auf Bildträgern wie Karton und Sperrholz hat die gelernte Fotografin Tatjana Erpen (*1980) seit 2007, als sie ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern abschloss, ein Werk von grosser Kohärenz und Überzeugungskraft geschaffen. Die armen, von der Künstlerin in ihrer eigenen Siebdruckwerkstatt verarbeiteten Materialien erzeugen durch die Struktur und Eigenfarbe der Bildgründe eine besondere Optik. Sie sorgen aber auch für ein etwas ältliches Aussehen, was perfekt mit der inhaltlichen Ebene einhergeht, auf der die Künstlerin mit ihren Motiven Geschichtsbefragung betreibt. Dabei stand in früheren Werkgruppen oft die Rolle des Bildes in Bezug auf die Wissensvermittlung zuvorderst und die hierfür aus Lexika oder dem Netz herangezogenen Beispiele dienten als Spiegel für das Selbstverständnis einer Gesellschaft zu einem bestimmten historischen Moment.
Im aktuellen Schaffen hingegen gilt der Fokus verstärkt dem Objekt als solchem, namentlich wenn es Erinnerung an sich bindet und somit als exemplarischer Träger von Geschichte und Mikrogeschichte fungiert. Um genau solche Objekte handelt es sich bei dem verhüllten Monument und den beiden Masken, die Erpen 2016 in Daressalam, der einstigen Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas und später Tansanias, im Park respektive in einem der Säle des dortigen Nationalmuseums fotografierte und dann zur Werkreihe der Outskirt Sculptures gruppierte. Die Frage der Erinnerung paart sich hier mit der Frage der Repräsentanz, doch bei allen drei Teilen der Arbeit – “Monument Under Tarps“, “Mask Without Description“, “White und Mask Without Description, Black“ – ist man ironischerweise mit einer Verweigerung des direkten Blicks und überdies mit dem Verzicht auf jegliche weiterführende Angabe konfrontiert. Nachfragen, so die Künstlerin, wen das Monument zeigt, von wem es stammt und ob es sich um eine temporäre oder permanente Abdeckung handelt, liefen ins Leere. Ebenso fehlte bei den hoch an einer Wand und somit ausserhalb der üblichen Studierdistanz hängenden Masken jeder Hinweis auf den historischen Kontext oder ihre Provenienz. Der Titel “Outskirt Sculptures“ steht somit nicht nur im engeren Sinn für die Präsentation in einem Aussenraum oder Randbezirk. Vielmehr wird er – ebenso wie die schlüssige sepiatonige Umsetzung der Motive auf Tüchern – zum Echo auf das Entschwinden oder vielleicht sogar bewusste Ausblenden von Geschichte sowie zur Reflexion über das eigene Nicht-Wissen, Fremd- und Anderssein. Zurückgeworfen auf eigene Beobachtungen liest man die Masken aufgrund ihrer markanten physiognomischen Unterschiede dann womöglich als Stellvertreter von Rasse und kolonialer Vergangenheit, die Denkmalverhüllung – gerade in Zeiten der aktuellen politischen Hypersensibilität im Kunstbetrieb – als Bruch mit bestehenden Hegemonien. Tatjana Erpen hat diese vielschichtige Arbeit in der “Auswahl 17“ präsentiert und wurde dafür mit dem NAB-Förderpreis prämiert.
Astrid Näff