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Emil Nolde, Stillleben (Kuh, japanische Figur und Kopf), 1913
Öl auf Leinwand, 73.5 x 89 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Legat Dr. Othmar u. Valerie Häuptli
Copyright: Nolde Stiftung Seebüll
Fotocredit: Jörg Müller

Mit gestischem Pinselduktus hält Emil Nolde (1867–1956) in diesem Stillleben unterschiedliche Gegenstände fest: Platziert auf einem grün-weiss gemusterten Tuch, vermutlich deutsche Weberei, reihen sich von links nach rechts die Steingutfigur einer Melkerin mit schwarz-weiss gefleckter Kuh, die Figur einer Japanerin und die Skulptur eines männlichen Kopfs auf.

Das Gemälde entstammt der Sammlung Häuptli, die 1983 als Legat in das Aargauer Kunsthaus kam, und bildet einen Höhepunkt unter den Stillleben unserer Institution. Dank der bedeutenden Schenkung beherbergt das Kunsthaus die vielleicht repräsentativste Werkgruppe des deutschen Expressionismus in der Schweiz, zu der auch Hauptwerke von Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Erich Heckel (1883–1970), Karl-Schmidt-Rotluff (1884–1976), Max Pechstein (1881–1955) und Otto Mueller (1874–1930) gehören.

Wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs macht sich das Ehepaar Nolde auf eine Reise zu den pazifischen Inseln, die zu einem Wendepunkt in der Entwicklung des Künstlers werden sollte. Vor der Abreise ist sein Schaffen von der Beschäftigung mit vielfältigen Motiven gekennzeichnet – Berliner Stadtszenen, Stillleben und religiöse Themen. Um 1910 sieht sich Nolde in Streitereien über seine religiösen Bilder verwickelt. Er wird von verschiedenen Seiten kritisiert: Die Berliner Sezession lehnt sein Gemälde „Pfingsten“ (1909) ab, ebenso verweigert das Auswahlkomitee für die Sonderbund-Ausstellung in Köln „Das Leben Christi“ (1912) und der Erwerb des Werks „Abendmahl“ (1909) für das Museum in Halle löst Proteste aus. Seine malerische Übersetzung christlicher Darstellungen in einen expressionistischen Stil scheint Kritiker herauszufordern. Nolde fällt in eine Krise, probiert sich künstlerisch aus . Wie andere Expressionisten hegt Nolde ein Interesse für aussereuropäische Kulturen, das er durch Besuche des Berliner Völkerkundemuseums stillt. In den ethnologischen Sammlungen kann der Künstler sein Bedürfnis nach Farben und Formen befriedigen. Teilweise berücksichtigt er seine Skizzen aus dem Völkerkundemuseum in späteren Gemälden, wie im vorliegenden Bild den Kopf eines ägyptischen Mannes. Die Besonderheit von Noldes Stillleben liegt in der Kombination der unterschiedlichen Gegenstände. Der Künstler ist ein passionierter Sammler von Objekten wie einfachen Gips- und Steingutfiguren, von europäischer sowie aussereuropäischer Volkskunst, von Antikem und Mittelalterlichen, Figuren und Masken. Sie faszinieren ihn, treiben seine kombinatorische Darstellungslust an und finden Eingang in seine Arbeiten – 1913 fertigt Nolde 18 Stillleben, die Gegenstände aus seinem Besitz zeigen. Mit den oft humorvollen Arrangements der kunstgewerblichen Objekte erschafft er leuchtende Bilder, die malerische Konventionen und kulturelle Grenzen überschreiten. Die einzelnen Figuren haben zwar die Bedeutung ihres ursprünglichen Kontexts verloren, behalten aber eine für den westlichen Künstler grosse Ausdruckskraft. 1912 beginnt Nolde ein Buch über die „Kunstäusserungen der Naturvölker“, in dem wahrscheinlich seine unzähligen ethnografischen Skizzen berücksichtigt werden sollten. In seiner autobiografischen Schrift „Jahre der Kämpfe“ (1934) finden sich Notizen zum geplanten, nie über die Einleitung hinauskommende Buch, die sich über seine Faszination zur Stammeskunst äussern: Die Objekte der Eingeborenen hält er für authentischer als seine eigene Kunst, da sie nicht aus kommerziellen Gründen, sondern aus „Lust und Liebe zum Bilden“ entstehen.

Karoliina Elmer

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