Metall, Holz, verschiedene Materialien, Ton, 181 x 164 x 46 cm
Das ursprünglich als Industrieschrank dienende Möbel mit dem verheissungsvollen Titel „The Magic Cupboard“ von Augustin Rebetez (*1986) bietet 80 Schubladen an, die sich herausziehen lassen und deren Inhalt – zumeist rätselhafte Objekte – auf diese Weise betrachtet werden kann. Von einer kindlichen Neugier erfasst, möchte man am liebsten alle Fächer auf einmal erkunden, sieht sich aber gezwungen, eine Reihenfolge zu wählen. Jede der Schubladen beinhaltet dabei eine Erzählung für sich, die durch Öffnen weiterer Fächer beliebig fortgeführt werden kann. In einigen der Schubladen sind überdies Lautsprecher angebracht, die das Werk in einen undefinierbaren Geräusch- und Klangteppich betten. Der visuellen und haptischen Ebene wird also die akustische hinzufügt. So komponiert gewissermassen jeder sein eigenes Seh- und Hörerlebnis und der Schrank funktioniert ähnlich einem Instrument, dessen Tasten man drückt oder Saiten man zupft. Das Sammelsurium an Gegenständen, die uns dabei als Noten zur Verfügung stehen, reicht von Menschen- und Tierfiguren über Werkzeuge und Schlösser bis hin zu Schmuck. Objekte aus Gips, Holz, Stein oder Metall finden sich ebenso wie solche aus Modelliermasse, Einmachgläsern, Fellen und Vogelfedern. Vielen dieser Dinge wohnt ein archaischer Charakter inne und sie lassen an Alchemie oder eben an Magie denken. Der gut 300 Kilogramm schwere Schrank trägt in sich ein mystisches Universum, in dem sich Surreales, Verdrängtes und Makabres versteckt – und das nur durch aktives Zutun zum Vorschein kommt.
In unserem Alltag erfüllen Schränke zumeist eine rein praktische Funktion: Sie dienen dem Aufbewahren und Ordnen verschiedenster Gegenstände. Im Gegensatz dazu hatten die Kästen und Vitrinen in den Wunderkammern des 16. Jahrhunderts den Zweck, sogenannte „curiosa“ zu lagern und zu präsentieren: Dinge, die das Publikum zum Staunen bringen sollten. Dafür wurden die Grenzen von Kategorien wie Kunst, Natur und Wissenschaft bewusst überschritten. Auch Rebetez legt in „The Magic Cupboard“ kein hermetisches Ordnungssystem an, sondern setzt dessen Interieur assoziativ zusammen. Der Griff zur Schublade mag erschrecken und irritieren, verzaubern und verführen. Doch obwohl uns einzelne Dinge durchaus vertraut sein dürften – Objekte wie Messer oder Nägel, aber auch Werke des Künstlers in Form von Fotografien –, so erschliesst sich trotzdem kein eindeutiger Sinnzusammenhang.
Der aus dem Jura stammende Augustin Rebetez bereist für seine Arbeit die ganze Welt. 2011 war er in Aarau zu Gast und bestritt in der Ausstellungsreihe für junge Kunst CARAVAN seine erste Museumsschau. Seitdem ist er mit fotografischen Arbeiten in der Sammlung vertreten. „The Magic Cupboard“ fasst sein Schaffen, das sich in den letzten Jahren verstärkt ins Multimediale und hin zu einer inszenatorischen Praxis entwickelt hat, wunderbar zusammen und ist somit ein Referenzwerk für diese wichtige Position in der jungen zeitgenössischen Schweizer Kunst.
Madeleine Schuppli