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Thomas Huber, Lesesaal, 2003
Öl auf Leinwand, 250 x 400 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: ProLitteris, Zürich
Fotocredit: Timo Ullmann

Stille Wasser sind tief und Bücher sind stumme Lehrmeister – was aber sind Bilder? In Thomas Hubers „Lesesaal“ fungiert der Bildraum als Gedächtnisreservoir, in dem Eindrücke und Erinnerungen lautlos zusammenfliessen. Im Frühjahr 1999 wurde Thomas Huber, 1955 in Zürich geboren, mit der Gestaltung der Bibliothek im Untergeschoss des Neubaus des Aargauer Kunsthaus beauftragt. Beat Wismer wusste zwar um die intensive Auseinandersetzung Hubers mit der Sprache des Bildes; dass Huber aber zur gleichen Zeit mit einem Projektentwurf für die Bibliothek der deutschen Botschaft in Peking beschäftigt war, überraschte auch ihn. Noch überraschter war der ehemalige Direktor des Aargauer Kunsthaus, als der Künstler Pläne für eine raumgreifende Innengestaltung vorlegte, in denen eine für Huber typische vielschichtige Auseinandersetzung mit der Divergenz zwischen Text und Bild offengelegt und die Relevanz der physischen Erfahrung bildender Kunst unterstrichen wurde.

Im grossformatigen Gemälde „Lesesaal“ gelingt es Huber auf den Erzählmodus von Bildern zu verweisen. Während in Schalen und Vasen Flüssigkeiten gesammelt werden, sammeln Bücher Wissen und bringen flüchtige Inhalte in eine greifbare Form. Beim Blick auf die spiegelnden Wasserflächen in der unteren Bildhälfte des Werks aus dem Jahr 2003 wird zudem gewahr, dass das Abbild eines Gegenstandes mehr als eine Darstellung der physischen Erscheinung sein kann. Während der perspektivisch weiter hinten platzierte Wasserkreis glatt und unberührt erscheint, wird die vordere grüne Fläche von einer Figur aufgewirbelt, die knöcheltief in der Mitte dieses Tanks steht. Sie greift nach einem der vielen Papierblätter, die auf der Wasseroberfläche zu schwimmen scheinen. Diese Geste mag den Strudel in Bewegung gesetzt haben und was zuvor vielleicht nur als gespiegeltes Bild hätte wahrgenommen werden können, offenbart sich als konkretes Material. Hier fühlen sich die Betrachtenden plötzlich ins Bild gesetzt und realisieren, dass auch sie, durch die nicht nur oberflächliche Anschauung, die flache Leinwand in ein tiefes Gewässer innerer Reflexion verwandelt haben.

Mit der Hilfe seiner Mutter Martha Huber-Villiger, selbst Innenarchitektin, hat Thomas Huber mit seiner Bibliothek ein beeindruckendes Gesamtwerk erschaffen, in dem Kunst und alltägliches Leben ineinanderströmen. Dem interessierten Besuchenden sei deshalb auch die Lektüre der Publikation „Die Bibliothek in Aarau“ nahegelegt. Selbige liefert sowohl Einblicke zur Raumkonzeption Hubers als auch zur umfassenden Gedankenarchitektur der vier permanent installierten Gemälde in der Bibliothek.

Bassma El Adisey

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