Aluminium, Holz, Gips, Latexfarbe, Neonbeleuchtung, Acryl auf Holz, Teapot 353 x 665 x 365 cm
Mai-Thu Perret (*1976) nimmt innerhalb der gegenwärtigen Kunstszene eine bemerkenswert eigenständige Position ein. Ihr Schaffen ist geprägt von einer inhaltlichen und formalen Radikalität, gepaart mit einer unmittelbar einnehmenden Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit. Dabei jongliert die junge Genfer Künstlerin virtuos mit unterschiedlichsten künstlerischen Arbeitstechniken und fühlt sich sowohl in traditionellen kunsthandwerklichen Medien, wie der Keramik oder der Textilkunst, als auch in der performativen Praxis und in komplexen elektronischen Video- und Soundtechniken zu Hause. Genährt wird das Werk von einer nicht alltäglichen theoretischen und intellektuellen Tiefe, die wiederum durch die ästhetische und materielle Sinnlichkeit der Arbeiten aufgefangen wird.
Einige Arbeiten von Perret scheinen etwas mit den Wahrnehmungsverschiebungen während eines Drogentrips zu tun zu haben. In „Little Planetary Harmony“ (2006) kehrt die Künstlerin kurzerhand die Grössenverhältnisse um und so findet sich der Betrachter angesichts des riesigen Teekruges in einer, an Alice im Wunderland erinnernden, traumähnlichen Situation wieder. Die begehbare, silberne Teekanne steht wie eine Art Ufo im Raum, eine Erscheinung, die räumlich und inhaltlich schwierig zu verorten ist. Im runden, weissen Innenraum des Kruges verlieren wir die Orientierung. Alleinige Referenzpunkte sind sechs Holzbilder, die eine kleine Ausstellung bilden, eine Ausstellung in der Ausstellung, ein Museum im Museum. Dabei gibt es keine Wiederholung der Aussenform wie bei der Babuschka-Puppe, sondern es entsteht der grösstmögliche Kontrast. Die funktionale Museumsarchitektur des umgebenden Ausstellungsraumes wird durch die extravagante, verspielte Mini-Museumsarchitektur konterkariert – eine Spaceship-Architektur so wie im Guggenheim Museum in Bilbao. Damit kann „Little Planetary Harmony“ als ein kritischer Kommentar auf eine kommerzialisierte Architektur des Entertainments mit ihrem Trumpf der Aufmerksamkeit erheischenden Hülle gelesen werden. Dieses Themenfeld hat sich Perret durch die Auseinandersetzung mit einem wichtigen Text erschlossen, namentlich mit Venturis, Browns und Izenours „Learning from Las Vegas“ (1972). Deren fundamentale Analyse der Beziehung zwischen äusserer Erscheinung und Inhalt im Bereich der zeitgenössischen Architektur lässt sich nicht nur auf den Urbanismus beziehen, sondern auch in Relation zur bildenden Kunst reflektieren. So ist auch diese Arbeit der Künstlerin das Resultat einer vertieften theoretischen und intellektuellen Textrecherche. Durch die sinnliche Poesie des Werks wird die abstrakte Grundlage jedoch geschickt überwunden.
Mit „Little Planetary Harmony“ (2006) konnte ein Schlüsselwerk Perrets für die Sammlung erworben werden. Es ist die vielschichtige Arbeit einer Künstlerin, die gegenwärtig – nicht zuletzt auch dank der grossen Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus 2011 – mit ihrem multidisziplinären Schaffen auf nationaler und internationaler Ebene für viel Aufmerksamkeit sorgt.
Madeleine Schuppli