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Max von Moos, Ohne Titel, 1957
Tusche auf Papier, 21.1 x 29.5 cm ok
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Max von Moos Stiftung Luzern
Copyright: Copyright: Max von Moos Stiftung, Luzern / Pro Litteris, Zürich

Die Konfrontation ist ein Leitmotiv im Werk des Schweizer Surrealisten Max von Moos (1903–1979). Schon in den frühen Arbeiten der 1930er-Jahre inszeniert er sie, indem er seine Figuren, Köpfe und Masken in absoluter Frontalität präsentiert. Und bei zusammengesetzten Motiven baut er die einzelnen Bildelemente gleichsam zu einer Mauer auf. Sie stellen sich uns Betrachtern und Betrachterinnen geradezu in den Weg. Oder in des Künstlers eigenen Worten: Sie „bilden auch eine Verbotstafel, einen wehrhaften Hag, man kann da nicht mehr durch“.

Ab den 1950er-Jahren wendet von Moos einen neuen Bildtypus an. Er verlagert die Konfrontation ins Bildgeschehen hinein. Das unbetitelte Blatt von 1957 vereint die beiden Typen: Einerseits baut der Künstler wie gehabt einen Schädel und einen weiblichen Torso unausweichlich vor uns auf, andererseits setzt er die beiden Figuren aber zueinander in eine Beziehung, was umso spannungsvoller gerät, als sie zwei vermeintlich konträre Prinzipien repräsentieren: Das Männliche in Form eines Zähne bleckenden Schädels – die sonst omnipräsenten phallischen Attribute fehlen hier ausnahmsweise, es sei denn, wir wollten die Zähne als typisch von Moos’sche Schlangenbrut lesen, – und das Weibliche, repräsentiert durch eine prähistorische Göttinnenfigurine mit mächtigen Brüsten und einer auf die ganze Länge der kaum angedeuteten Beine ausgedehnten Vagina. Wie so oft bei von Moos ist die Wertigkeit aber ambivalent. So fungiert insbesondere der Frauenakt als Träger des allumfassenden, ganzheitlichen Prinzips der Grossen Göttin, die Leben gibt und Leben nimmt, der Urmutter, deren Schoss Anfang wie auch Ende versinnbildlicht. In den Konfrontationen geht es von Moos also nicht um einen Kampf zwischen Schwarz und Weiss, zwischen Gut und Böse, sondern vielmehr um ein Ringen an sich. Das Bild symbolisiert eine Art Stillstand, eine Pattsituation im labilen Gleichgewicht widerstrebender Kräfte.

In der hier besprochenen Zeichnung verliert die im Frühwerk noch unversöhnlich anmutende Motivkonstellation viel von ihrer Bedrohlichkeit. Das maskenhafte Selbstbildnis – der leere Blick des einen Auges lässt darauf schliessen, dass der schon früh an einem Augenleiden erkrankte Künstler sich hier selbst ins Bild einschreiben wollte – scheint sich geradezu an die Frauenfigur anzuschmiegen. Die Paarung der Motive trägt fast schon anrührende Züge, das Gebiss im Schädel verfügt nur mehr über wacklige Zähne, und die Ur-Mutter macht in ihrem bröckelnden Zustand weder einen besonders „fruchtbaren“ noch einen besonders „furchtbaren“ Eindruck, wie wir es von der Grossen Göttin eigentlich erwarten würden.

Das Medium der Zeichnung spielt im Œuvre von Max von Moos eine wichtige Rolle. Sein Gesamtwerk umfasst neben 1’300 Gemälden rund 25’000 Arbeiten auf Papier. Zwar handelt es sich zumeist um Studienblätter wie Akte und wissenschaftliche Zeichnungen oder dann Fingerübungen, beziehungsweise Tummelfelder für eine rastlose Künstlerhand, und selten dient die Zeichnung im Sinne einer Skizze der Entwicklung oder Vorbereitung eines Gemäldes. Gleichwohl gibt es nicht wenige Blätter – so auch das hier beschriebene –, die einen absolut eigenständigen Charakter aufweisen. Sie tragen die typischen Merkmale der von Moos’schen Stilmittel: klare Strichführung, Bevorzugung der Konturen gegenüber den Oberflächen, Isolierung der Motive anstelle derer Verortung in einem atmosphärischen Raum. Solche Reduktionen sind Abstraktionen; sie führen direkt zum Kern, direkt zur Essenz. So erstaunt es nicht, dass von Moos’ lebenslanges Streben eigentlich nichts anderes betraf, als die Suche nach dem Anfang und dem Ende des Seins.

Peter Fischer

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