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Josef Herzog, Ohne Titel, 1975
Aquarell auf Papier, 50 x 70 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Barbara Herzog
Fotocredit: Jörg Müller

Die Ateliergemeinschaft am Ziegelrain war eine neue Form des künstlerischen Arbeitens, wie sie in Aarau kein Vorbild gehabt hatte: Ähnlich Gesinnte verschafften sich von 1967 bis 1975 gemeinsam an einem Ort künstlerischen Freiraum. Die sehr unterschiedlichen Künstler – Christian Rothacher (1944–2007), Max Matter (*1941), Markus Müller (*1943), Hugo Suter (1943–2013), Heiner Kielholz (*1942) und andere – suchten dort unabhängig voneinander nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Josef Herzog (1939–1998) bezieht 1970 in unmittelbarer Nähe ein Atelier und gehört bald zur Gruppe, die ein beeindruckendes künstlerisches Potenzial entwickelt. Der Ziegelrain wird zu einem der interessantesten damaligen Kunstorte, und die Schweizer Kunstwelt richtet ihren Blick erstmals auf die periphere Region Aarau.

Herzog absolviert die Kunstgewerbeschule in Luzern unter Max von Moos (1903–1979) und schliesst 1965 mit dem Zeichenlehrerdiplom ab. Es folgen erste pädagogische Erfahrungen an der Kantonsschule in Aarau. 1976 zieht Herzog nach Zug und unterrichtet bis 1986 an der dortigen Kantonsschule. Anders als die anderen Mitglieder der Ateliergemeinschaft, die mit Materialien und unterschiedlichen Gestaltungsformen experimentieren, beschränkt sich Herzog bereits zu Beginn auf zwei Medien: Zeichnung und Aquarell. Diese Konzentration lässt sich im Kontext der 1960er- und 1970er-Jahre verorten, als zeichnerische Techniken eine allgemeine Aufwertung erfahren. Sie scheinen ein adäquates Mittel für die Umsetzung von Empfindungen wie auch für die tastende Suche nach der inneren und äusseren Wirklichkeit.

„Ohne Titel“ findet 1976 anlässlich der Ausstellung „Aargauische Künstler 1975/76“ Eingang in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Beat Wismer, ehemaliger Direktor des Aargauer Kunsthauses, konstatiert bei Herzog eine enorme Schaffenskraft um 1975 und lobt das Blatt mit den parallel gemalten Streifenlagen: „[…] gäbe es nur dieses eine Werk: die Meisterschaft des Aquarellisten Herzog wäre bewiesen […]“ Der künstlerische Ausdruck der Zeichnungen und Aquarelle bewahrt eine Frische und verleiht den Arbeiten eine Dynamik, die die Betrachtenden unmittelbar anspricht.

Bei Herzogs Bildern handelt es sich aber trotz ihrer gestalterischen Offenheit nicht um Skizzen oder Studien; die Linien sind Ergebnis einer ruhigen Hand und nicht eines Affekts. Die Arbeit in Serien ist für ihn bezeichnend: Es reihen sich Blätter von identischer Grösse und gleichen zeichnerischen Mitteln aneinander, deren Bildgrund stets weiss bleibt. Die Entstehungsweise der Blätter erinnert einerseits an eine Weiterführung der „écriture automatique“, eine von den Surrealisten propagierte intuitive Schreibmethode. Andererseits wird der Vorgang viel komplexer eingestuft: Der Künstler kommt einem zeichnerischen Konzept nach, dem Regeln unterliegen. Das Aufzeichnen der Linien erfolgt in Schichten, wobei Herzog mit der hellsten Farbe startet und mit Schwarz endet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Gestaltung der Linie während der Arbeit entwickelt, den weiteren Verlauf lenkt und Herzog aus dem Moment heraus reagiert. Die Grenzen zwischen Chaos und Ordnung sind fliessend. Den einzelnen Strichen wohnen mehrere Lesemöglichkeiten inne und auch die offen gelassenen Stellen tragen ihre Bedeutung.

Karoliina Elmer

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