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Augustin Rebetez, Print Newspapers (aus der Serie "The Good Life"), 2022
Kohle auf Papier, 29,7 x 21 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau / Schenkung des Künstlers
Fotocredit: FC_AugustinRebetez

2009 schloss Augustin Rebetez (*1986) die Fotofachklasse am Centre d’enseignement professionel de Vevey (CEPV) ab. Eine seiner ersten Ausstellungen hatte er 2011 in der CARAVAN-Ausstellungsreihe für junge Kunst im Aargauer Kunsthaus. Er zeigte dort eine bildgewaltige Wandinstallation aus unterschiedlichen Fotoserien – mal dokumentarisch, mal inszeniert, machte der junge Jurassier bereits damals deutlich, dass ihm Genres egal sind. Irgendwo zwischen Folk-Art und Punk schwingt in allen Arbeiten das Lebensgefühl einer Generation mit, die vom Overload des Informationszeitalters erzogen wurde. Durchtränkt von dieser Gen-Y-Nonchalance zeigt Rebetez auch 12 Jahre nach seinem Debüt in Aarau, dass ihm das Spiel zwischen high und low art und die damit verbundene Gesellschaftskritik immer noch meisterhaft glückt: „The Good Life“, eine Serie aus Kohlezeichnungen, in denen der Künstler gute Ratschläge aus dem Freundes- und Bekanntenkreis zu grotesken Piktogrammen gerinnen lässt, mag dem Publikum zur Anschauung dienen.

Als Schenkung des Künstlers ist die zehnteilige Serie im Zuge seiner ersten grossen Einzelausstellung „Vitamin“ (18.2.–29.5.2023) in die Sammlung des Aargauer Kunsthaus eingegangen. Die zehn Blätter fächern die Themen- und Medienvielfalt von Rebetez‘ Schaffen exemplarisch auf. Lesen wir beispielsweise einen von Zange, Filzstift und Pfeil umrahmten Schriftzug mit den Worten „Radicalize your Activity“, denken wir sofort an Rebetez‘ kompromisslose Verbindung von Kunst und Leben. Sein Wohnhaus gleicht seit längerem einem Gesamtkunstwerk, das immer wieder als Schauplatz für unterschiedliche Videoarbeiten wie „Liquid Panic“ (2018) oder „LOVE OF GOD: IN QUARANTINE“ (2020) diente. Sein neustes Projekt, „La Maison Totale“, eröffnet im Juni 2024: Das Haus in Bôle (NE) beherbergt neben diversen Atelierräumen für Keramik oder Holz auch ein permanentes Museum, eine Bar und einen Skulpturenpark. Ergänzt wird das Ganze von einem Plattenstudio; wobei wir bereits bei der Kohlezeichnung „Print Newspapers“ wären. Mit seinem Label Rapace, das sowohl Buch- als auch Musikverlag ist, hat sich das Enfant Terrible der Schweizer Kunstszene seit längerem ein zweites Standbein in der Kreativbranche eröffnet. „Create the Max“ scheint das Motto zu sein! Und trotzdem – betrachten wir den schlecht gezeichneten Katzenkopf jener Zeichnung, zweifeln wir an der Ernsthaftigkeit dieses Ausspruchs spätkapitalistischer Macher-Ideologie. Immer wieder macht Rebetez sich auch lustig über die Prätentionen unserer Leistungsgesellschaft. „Give Everything“ wird da zur gleichen Werbefloskel wie das mantrartige „Keep it simple“ berühmter Bauhauslehrenden. Wer schon meint, es gehe hier nur um Exzentrik, den holt „Choose a strong Password“ zurück auf den Teppich der Tatsachen: Unser Leben ist voller Widersprüche – und das ist gut so.

Immer wieder bewegt sich Rebetez‘ Kunst zwischen Multimedia und Archetypus. Zeichnungen wie „Make Fires“, die an moderne Höhlenmalereien erinnern, finden sich ebenso wie immersive Raumerlebnisse mit Lasershows à la „Throw your Shadows“ (2018). Trotzdem zeigen Blätter wie „No Stress Life is short“, die uns an all die sinnbefreiten Memes im Netz erinnern, dass es keine Special Effects braucht, um Kunst in die Gegenwart einzubetten. Mehr noch lässt das letzte Blatt der hier besprochenen Serie offenkundig werden, dass es gerade die Zeitlosigkeit ist, die Rebetez’ Arbeiten von normalen Kulturphänomenen wie Memes abhebt: Entgegen allen Zeitungsartikeln ist diese Kunst kein Schweizer Vodoo, Rebetez ist kein Antichrist obwohl er Kreuze umdreht und der Künstler entstellt die Fotos von Despoten nicht mit schlechten Bildmontagen, weil er keine Photoshop-Kenntnisse besitzt. Augustin Rebetez gräbt Bilder aus unserem kollektiven Gedächtnis aus und macht sich deren Wirkung bewusst zunutze, um sein Publikum aus dem Overflow herauszureissen. Die DIY-Ästhetik ist dabei ausgemacht, denn: Wir sind alle Reisende in unserem eigenen Kosmos, den wir alle selbst gestalten – „Wherever you are, don‘t stay there“.

Bassma El Adisey, 2024

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