Öl auf Leinwand, 170 x 240 cm
In Francisco Sierras (*1977) Gemälde „The Universe“ (2008) schwebt ein übergrosses Teeservice mit Kanne, Tassen, Zuckerdose und Torte losgelöst im Raum, mitten auf der Leinwand. Das Service ist wider Erwarten nicht aus feinem weissen Porzellan, sondern – samt Kuchen – aus krudem, rohem Ton geformt. Auf der Zuckerdose findet sich ein mit wenigen Strichen skizziertes, seltsames Männchen, das an einem riesigen Joint zieht. Das grossformatige Ölgemälde beeindruckt durch seine Plastizität. Die besonderen Dimensionen verleihen dem Abgebildeten eine eindrückliche Präsenz und rätselhafte Bedeutung. Auf was bezieht sich Francisco Sierras „The Universe“? Welchem fantastischen Kosmos entstammt das rätselhafte Stillleben?
Die reale Aussenwelt und die eigene Fantasiewelt sind für den Maler Francisco Sierra gleichwertige Inspirationsquellen. Der Künstler erschafft skurrile Bildwelten, die mit unheimlich-heimlichen Fantasiekreaturen bevölkert sind: Häuser mit Ohren, Drachen in Form von Gebissen, eiförmige Wesen auf Stelzenbeinen oder, wie in „The Universe“, kiffende Zwerge. Die alptraumhaften und mit feinem Humor durchsetzten Stimmungen werden durch eine abgetönte Farbpalette unterstrichen. Die surreal-grotesken Objekte und Figuren in absonderlichen Situationen scheinen direkt dem Unterbewusstsein des Künstlers entsprungen. So lassen seine Bilder stets auch unterschiedliche, unsere Fantasie anregende Lesarten offen.
Francisco Sierras Gemälde bestechen durch eine präzise und zugleich sinnliche Malerei im realistischen Stil. „The Universe“ ist nicht, wie die meisten seiner Werke, aufgrund von schnell ausgeführten Kugelschreiberskizzen entstanden, die er in einem zweiten Schritt mit Pinsel und Farbe auf die Leinwand überträgt. Als Vorlage diente ihm ein kleines Porzellanteeset, das der Künstler als Präsent erhalten hatte und welches seine Partnerin in ein Tonmodell übertrug. In einem mehrmonatigen Arbeitsprozess malte er es verfremdet und doch sehr realistisch ab. Das Modell erlaubte ihm, den dreidimensionalen Effekt auszuloten. Der als Autodidakt zur bildenden Kunst gestossene, ausgebildete Musiker zeigt in dieser Arbeit sein ganzes malerisches Können. Der geschickte Umgang mit den feinen Abstufungen der Grautöne und mit dem feinen Spiel von Licht und Schatten schafft in „The Universe“ eine mysteriöse Spannung. So verbindet Francisco Sierra in seinem Ölgemälde eine fotorealistische Wahrheit mit surrealistisch-fantastischen Komponenten und schafft sein eigenes, magisches Universum.
Das Ölgemälde wurde in der Einzelausstellung Francisco Sierras im Rahmen der „CARAVAN“-Reihe ein erstes Mal präsentiert. Durch den Ankauf von „The Universe“ ist diese wichtige junge Kunstposition nun auch in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses vertreten.
Katrin Weilenmann