Erdnussseife und Messingdrahtbürste, Seife 8.2 x 7.8 x 8.5 cm
Die kubische Erdnussseife und die quadratische Messingdrahtbürste bilden ein Paar, das nicht nur in Bezug auf die Form und Farbtonalität harmoniert, sondern sich auch in seiner Funktion perfekt ergänzt. Diese Dualität weiterführend, trifft hier Hartes auf Weiches, Anorganisches auf Organisches, maschinell Gefertigtes auf Handgeschöpftes. „The noxious, the leather-colored, the impure“ (2016) betitelt die Künstlerin ihre Edition, die sie für das Aargauer Kunsthaus anlässlich ihrer Einzelausstellung im Jahr 2016 geschaffen hat.
Marta Riniker-Radich (*1982) macht sich nach ihrem Studium an der Haute Ecole d’Art et de Design in Genf von 2004 bis 2008 mit kleinformatigen Zeichnungen einen Namen. In ihren detailreichen, schillernden Bunt- und Bleistiftzeichnungen entwirft sie surreale wie utopische menschenleere Landschaften und Architekturen. Im Folgenden löst sich die Künstlerin zunehmend vom bevorzugten DIN-A4-Format, indem einige der gezeichneten Elemente als Objekte oder Installationen in den realen Raum finden. Ihre künstlerische Praxis, die oft auf historischen Figuren und soziokulturellen Phänomenen basiert, erstreckt sich somit auf verschiedene Medien.
In „The noxious, the leather-colored, the impure“ befasst sich Riniker-Radich mit unserem ambivalenten Verhältnis zu Körper und Gesundheit. Die Arbeit bildete im Aargauer Kunsthaus den Prolog zum erstmals präsentierten, sich über vier Räume ausdehnenden Werkkomplex. Auf einem kleinen Sockel nahe dem Ausstellungseingang platziert, fungierte sie als hypothetische Aufforderung, sich vor dem Betreten zu säubern, und zugleich als Einstieg in den installativen Kosmos.
Der Einbezug eigener und fremder Texte ist für die Trägerin des Manor Kunstpreises ein wichtiges künstlerisches Element. Ausgangspunkt der in Aarau versammelten Zeichnungen, Exzerpte, Objekte und Videoarbeiten bilden die Schriften des amerikanischen Arztes John Harvey Kellogg (1852–1943), hierzulande vor allem als Miterfinder der Cornflakes und der Erdnussbutter bekannt. Er propagierte einen holistischen Gesundheitsansatz und entwarf eine Vielzahl von Behandlungen wie Hydro- oder Lichttherapie sowie Diäten. Ansätze, die auch heute rege diskutiert werden und – in weiterentwickelter Form – eine breite Anwendung finden. Seine teilweise rigiden Therapien sollten den Körper reinigen und entgiften.
Was die Künstlerin besonders interessiert, ist Kelloggs zutiefst moralischer Anspruch, die körperliche Sauberkeit mit der geistigen Reinheit gleichzusetzen. Ausgehend davon ergründet sie in ihrer Edition unsere gegenwärtige Beziehung zum Körper im Spannungsfeld von Wellnesstrends, Schönheitskult und Gesundheitswahn. Die Auseinandersetzung rund um die gesellschaftliche Normierung des Körpers ist auch den beiden alltäglichen Objekten eingeschrieben. Die mit Erdnussstücken angereicherte Seife, universelles Symbol für Sauberkeit, scheint harmlos. Würde sie jedoch in Kontakt mit Wasser kommen, hätte die eigens hergestellte alkalische Seifenmixtur eine ätzende Wirkung auf der Haut. Die beinahe klinisch sterile Ästhetik von Seife und Bürste täuscht nicht über den latenten Zusammenhang von Hygiene, körperlicher Disziplinierung und Gewalt hinweg; der Akt der Reinigung würde zur Selbstkasteiung.
Katrin Weilenmann