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Hans Ernst Brühlmann, Pariser Bildnissstudie, um 1908
Öl auf Leinwand, 61 x 50 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung
Fotocredit: Jörg Müller

Die kurze Schaffenszeit des Ostschweizer Malers Hans Brühlmann (1878–1911), die nach rund einem Jahrzehnt mit dessen Freitod endet, ist neben einer beeindruckenden Themenvielfalt vor allem von einer ungewöhnlich raschen künstlerischen Entwicklung geprägt. Diese zeigt sich in der stilistischen Diskrepanz zwischen den kurz nacheinander entstandenen Gemälden „Mädchen auf dem Hügel“ (1907) und „Pariser Bildnisstudie“ (um 1908), die beide zur Sammlung des Aargauer Kunsthauses gehören. Während das „Mädchen auf dem Hügel“ noch offenkundig der grossformatigen Stimmungsmalerei der Stuttgarter Studienjahre verpflichtet ist, steht die „Pariser Bildnisstudie“ am Beginn der reifen Periode.

Anstoss für die künstlerische Neuausrichtung ist ein mehrmonatiger Aufenthalt in Paris 1908, den ihm der Winterthurer Kaufmann und Kunstmäzen Theodor Reinhart ermöglicht. Die Begegnung mit der französischen Malerei erweist sich für Brühlmanns Schaffen in formaler wie thematischer Hinsicht als richtungsweisend. Neben Pierre Puvis de Chavannes (1824–1898) und Gustave Courbet (1819–1877) beeindruckt Brühlmann insbesondere das Werk des zwei Jahre zuvor verstorbenen Paul Cézanne (1839–1906) nachhaltig. Unter dessen Einfluss entwickelt er einen flächigen Kolorismus aus aneinandergefügten Farbflecken. Das Stillleben bildet dabei die wichtigste Bildgattung, um die neuen Erkenntnisse zu erproben, ausserdem schafft Brühlmann in dieser Phase auch eine grosse Anzahl Porträts, darunter einige Selbstbildnisse. Diese Übungsstücke, die er als „Köpfe“ bezeichnet, unterliegen nicht der Intention einer Charakterdarstellung; vielmehr dienen sie wie die Stillleben dem Versuch, eine plastische Erscheinung auf der Fläche farbig zu bewältigen. Der Bildgegenstand tritt dabei hinter die malerischen Fragestellungen zurück.

In der „Pariser Bildnisstudie“ zeigt sich dieses Phänomen noch wenig stark ausgeprägt. Besonders auffällig im Vergleich zu den übrigen Studien erscheint die koloristische Verhaltenheit. Bis auf Gesicht und Hals der dargestellten Frau ist das Gemälde auf dunkelbraune, schwarzblaue und beige Farbflächen reduziert, wobei die dunklen Partien von Hintergrund, Haaren und Oberteil ineinander überzugehen scheinen und wenig Räumlichkeit zulassen. In der Darstellung des hellen, um die Schultern gelegten Tuchs wiederum zeichnet sich eine freiere, unmittelbare Pinselschrift ab, die das dargestellte Motiv zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changieren lässt. Eine dritte, stärker modellierende Gestaltung weist die Gesichtspartie auf, die durch ein fein nuanciertes Farbenspiel an Definition gewinnt. Brühlmann erprobt hier anhand des klassischen Bruststücks unterschiedliche Malweisen, die ihn in der Folge weiter in Richtung Abstraktion führen, ohne dass er die Gegenständlichkeit je gänzlich aufgibt. Die durch die französische Malerei angeregte Schaffensphase dauert indes nur zwei Jahre lang an. Mit Ausbrechen der Syphilis, die den Künstler aufgrund einer Lähmung zur linkshändigen Arbeit zwingt, geht ein abrupter Stilwechsel einher. In dieser Zeit entstehen primär hochexpressive Figurenbilder mit erotischen Inhalten sowie Landschaften.

Die „Pariser Bildnisstudie“ gelangt 1968 dank einer Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung in die Bestände des Aargauer Kunsthauses. Brühlmann ist ausserdem mit mehreren Stillleben und Landschaften sowie einer Gruppe von Zeichnungen in der Sammlung vertreten.

Raphaela Reinmann

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