Eitempera auf Leinwand, 62 x 46 cm
Bereits früh kommt Valery Heussler (1920–2007) als Nichte des Kunstmalers Ernst Georg Heussler (1903–1982) in Kontakt mit der bildenden Kunst. Aber erst nach mehreren Jahren Bürotätigkeit, zu der sie ihr Vater verpflichtet, geht ihr Wunsch, Malerin zu werden, mit dem Besuch der Allgemeinen Gewerbeschule Basel von 1941 bis 1946 in Erfüllung. Schon vor ihrer Ausbildung auf eigene Initiative als Grafikerin tätig, findet sie rasch Anschluss an die lokale Kunstszene. 1946 heiratet sie den Basler Malerkollegen Alex Maier (1917–2005) und 1950 schliesst sie sich eine Zeitlang der „Gruppe 48“ an. Während knapp zwei Jahrzehnten, bis 1967, entwickelt sie daraufhin ihr Schaffen auf Leinwand und Papier. Dann aber kommt es sowohl künstlerisch als auch biografisch zum Bruch: Heussler erlernt das Schmieden und bezieht 1970 ein Bauernhaus in Elfingen im oberen Fricktal, wo sie fortan stark reduzierte figürliche Metallplastiken entwirft. Für diese späten Arbeiten rund um das Thema Gleichschaltung und Konformität ist sie heute vor allem bekannt. Zudem erfährt sie Anerkennung für ihr kunstpolitisches Engagement, insbesondere als Mitglied der Basler Sektion der Gesellschaft Schweizerischer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen (GSMB+K,) deren Präsidentschaft sie 1975 für drei Jahre übernimmt.
Im Aargauer Kunsthaus, wo sie 1974 mit Gillian White (*1939) und Erika Leuba (*1941) auch ausstellen kann, ist Valery Heussler mit einem halben Dutzend Arbeiten vertreten. Diese datieren grösstenteils aus den frühen 1950er-Jahren, einer Zeit, in der sich ihre Bilder durch eine fantastische, spätsurrealistische Grundstimmung sowie eine skurrile narrative Note hervortun. Direkt anschliessend an diese Phase ist das aussergewöhnliche „Selbstporträt mit Bumpf“ (1954) entstanden, ein Werk, das durch seine kompositorische Schlichtheit und den ganz auf Braun- und Grüntöne beschränkten farblichen Zweiklang auffällt. Frontal ins Bild gesetzt, doch mit leicht geneigtem, seitlich abgedrehtem Kopf, hält sich die damals 34-jährige Künstlerin darin fest, wie sie ihr Gegenüber mit standhaftem, kritisch herausforderndem Blick fixiert. Gesicht, Hals und Hände sind in hartes Licht getaucht, das die Züge streng und kantig wirken lässt. Dieselbe Strenge bestimmt auch die Schulter- und die Ellbogenpartie, die, verstärkt durch die Schattenwürfe, ein annähernd perfektes Rechteck bilden. Einzig der linke Unterarm ist erhoben und die Hand in einer parallel zur Schulter verlaufenden Linie kraulend zum Nacken eines Tieres geführt, das die Künstlerin auf dem Arm hält. Dass dieses seltsam beschopfte pelzige Wesen, dieser Bumpf, sich wohl fühlt, lässt sein Grinsen erkennen, ebenso die entspannt gespreizten Krallen. Irritiert mag dagegen der Betrachter sein und sich fragen, was dieses rätselhafte Etwas wohl genau ist und was es bedeuten soll.
Das Wort Bumpf, dies lehren alte deutsche Wörterbücher, bezeichnete einst in der Kürschnerei den Teil eines Pelzwerks zwischen Kreuz und Lenden. Somit ruft es sowohl Bilder des Tötens und Häutens als auch solche des Umhüllens auf. Verhüllte oder bandagierte Gestalten treten bei Heussler immer wieder auf, und wie Bümpfe und Lemuren – im alten Rom die Totengeister – tun sie dies in der Rolle von Schattennaturen des Menschen. Wie schon die Basler Kunsthistorikerin Andrea S. Végh angemerkt hat, sind sie folglich Chiffren genau jener Kreatur, die in Anlehnung an Theodor W. Adornos berühmten Satz zur verirrten Dialektik von Kultur und Barbarei in den Nachkriegsjahren als kaum mehr darstellbar gilt. Hier aber, im „Selbstporträt mit Bumpf“, ist dieses Tabu überwunden. Die in öden Landstrichen eigenartige Handlungen verrichtenden Homunculi sind umgewertet zu einem Bumpf mit innigem Verhältnis zum Menschen. Der Terminus technicus der Pelzmacher ist im Pars-pro-toto-Prinzip zum Namen eines Geschöpfs geworden, das den Status eines Schmusekaters und komplizenhaften Gefährten geniesst. Auch der düstere Ton, der Heusslers Werke der frühen 1950er-Jahre prägt, ist verflogen und ebenso – wenn auch nur temporär – der Umstand, dass die Akteure in ihrer Mobilität oder Wahrnehmungskraft eingeengt sind. Tier und Künstlerin sind beide hellwach und das Porträt scheint von einer Klarsichtigkeit durchdrungen, die ihre nächsten Verwandten, sanft aus der Zeit fallend, in der Kunst der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus hat.
Astrid Näff